
Wernigerode – Mitten in der historischen Altstadt hat ein Ort seine Tore geöffnet, der Vergangenheit und Gegenwart auf überraschende Weise verbindet. Dort, wo einst Eisen geschmiedet wurde, sitzen heute Menschen unter freiem Himmel bei regionalen Speisen, umgeben von den Gemäuern der ältesten noch erhaltenen Schmiede Deutschlands.
Bild exemplarisch
Ein Lost Place mit Geschichte: Die Krellsche Schmiede in Wernigerode
Die Krellsche Schmiede in der Breiten Straße ist weit mehr als ein beliebiges Bauwerk aus dem 17. Jahrhundert. 1678 von Michael Krell erbaut, galt sie über Jahrhunderte hinweg als das Herzstück des handwerklichen Lebens in Wernigerode. Noch bis 1975 wurde hier tatsächlich geschmiedet. Danach diente das Gebäude eine Zeit lang als technisches Museum, verlor jedoch später an Bedeutung und geriet zunehmend in Vergessenheit.
Der Begriff „Lost Place“ – also ein verlassener, verfallener Ort – beschreibt den Zustand der Schmiede bis vor wenigen Jahren sehr treffend. Sie stand leer, war dem Verfall preisgegeben und wurde selbst von Einheimischen kaum noch wahrgenommen. Erst mit dem Eigentümerwechsel und den darauf folgenden Ideen kam neuer Schwung in die Diskussion um die Zukunft des Gebäudes.
Neuer Glanz im alten Gemäuer: Der Sommergarten entsteht
Die aktuelle Transformation verdankt die Krellsche Schmiede vor allem dem Engagement von André Sonsalla, Anja Schult und Andreas Weiner. Gemeinsam mit Küchenchef Normen Hammer haben sie einen Sommergarten geschaffen, der Geschichte spürbar macht – ohne in Nostalgie zu verfallen. Der neu gestaltete Innenhof wurde in eine Event- und Gastronomiefläche verwandelt, die stilvoll und dennoch offen für alle Generationen gestaltet ist.
„Wir wollten einen Ort schaffen, der sowohl die Geschichte respektiert als auch den Menschen von heute etwas bietet“, sagt Mitinitiator André Sonsalla. Dass dies gelungen ist, zeigt sich nicht nur an den gut besuchten Eröffnungstagen, sondern auch an der Resonanz in sozialen Netzwerken.
Ein Ort für Begegnungen
Der Sommergarten ist weit mehr als ein gastronomischer Betrieb. Er dient als Treffpunkt, als Bühne für Kultur und als Oase im Herzen der Stadt. Die Außenbestuhlung lädt zum Verweilen ein, eine kleine Bühne ist für musikalische Darbietungen oder Lesungen vorgesehen. Geplant sind auch kulinarische Themenabende, Kunsthandwerksmärkte und Picknickkonzerte unter freiem Himmel.
Gastronomie mit regionalem Anspruch
Das kulinarische Konzept basiert auf frischen, regionalen Zutaten und verzichtet bewusst auf übertriebene Speisekarten. Stattdessen steht eine kleine, wechselnde Auswahl im Mittelpunkt:
- Hausgemachte Limonaden
- Regionale Harzer Biere und Weine
- Flammkuchen und ofenfrische Pizza
- Saisonale Highlights wie der „Schmiedeburger“
Die Gerichte orientieren sich an der Harzer Küche, werden jedoch modern interpretiert. Für Gäste ergibt sich dadurch ein authentisches Geschmackserlebnis, das sowohl Touristen als auch Einheimische anspricht.
Positive Resonanz aus der Bevölkerung
In lokalen Facebook-Gruppen häufen sich seit der Eröffnung positive Kommentare. „Aufgepasst, endlich ist es soweit!!!“, heißt es in einem vielbeachteten Post zur Eröffnung. Nutzerinnen und Nutzer zeigen sich begeistert, teilen Fotos und geben Restauranttipps weiter – eine echte digitale Mundpropaganda.
Auch auf Instagram macht sich der neue Ort bemerkbar. Unter dem Hashtag #krellscheschmiede finden sich bereits erste Bilder vom stimmungsvoll beleuchteten Innenhof, von Speisen und Gästen. Die Community trägt aktiv zur Sichtbarkeit des Projekts bei und unterstützt es mit authentischen Inhalten.
Historisches Erbe als Verantwortung
Mit der Wiederbelebung der Krellschen Schmiede geht auch eine Verpflichtung einher: Der respektvolle Umgang mit einem denkmalgeschützten Gebäude. Die neuen Eigentümer sind sich dessen bewusst. Erste Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung wurden bereits ergriffen. Langfristig sind weitere Nutzungsformen wie kleine Werkstattausstellungen, temporäre Galerien oder sogar Wohnungen in angrenzenden Gebäudeteilen denkbar.
Doch das Projekt bewegt sich dabei stets im Spannungsfeld zwischen Erhalt und Innovation. Studien über die Nachnutzung industrieller Baudenkmäler belegen, dass solche Projekte nur dann nachhaltig sind, wenn sie nicht nur architektonisch, sondern auch sozial und kulturell verankert werden.
Was die Forschung sagt
Wissenschaftliche Arbeiten zur Konversion von Industrieerbe wie etwa in Duisburg oder Oberhausen zeigen folgende Erfolgsfaktoren:
Faktor | Beschreibung |
---|---|
Partizipation | Einbindung der lokalen Bevölkerung in Planung und Nutzung |
Infrastruktur | Gute Erreichbarkeit, Parkmöglichkeiten, barrierefreier Zugang |
Veranstaltungsvielfalt | Regelmäßige Events, Märkte, Konzerte zur Belebung des Ortes |
Authentizität | Erhalt historischer Elemente und glaubwürdige Vermittlung der Geschichte |
Die Krellsche Schmiede scheint auf einem guten Weg zu sein, diese Kriterien zu erfüllen – nicht zuletzt durch das starke lokale Engagement und den kulturgeschichtlichen Kontext.
Ausblick: Was als Nächstes geplant ist
Der Sommergarten ist nur der erste Schritt. In den kommenden Monaten soll die Fläche weiterentwickelt werden. Denkbar sind laut den Initiatoren:
- Kulturveranstaltungen mit Fokus auf regionale Künstler
- Verbindungen mit Schulen und Bildungseinrichtungen für Workshops
- Verstärkte Präsenz im Harzer Tourismusmarketing
Auch Kooperationen mit anderen regionalen Initiativen sind in Planung. Die Krellsche Schmiede soll sich als Plattform für kreative Ideen und kulturellen Austausch etablieren – mit Respekt vor der Geschichte und Offenheit für Neues.
Fazit: Ein Ort, der verbindet
Wernigerode hat mit dem Sommergarten an der Krellschen Schmiede nicht nur einen gastronomischen Ort gewonnen, sondern einen sozialen. Hier treffen sich Menschen, erleben Kultur, genießen gutes Essen und spüren ein Stück Geschichte. Der Erfolg der Eröffnung und die positive Resonanz in der Bevölkerung zeigen, dass der Bedarf an solchen Orten hoch ist.
Mit Weitblick, Leidenschaft und einem durchdachten Konzept ist es den Initiatoren gelungen, einem verlorenen Ort neues Leben einzuhauchen. Die Krellsche Schmiede ist damit nicht länger ein Lost Place – sondern ein lebendiger Treffpunkt mit Geschichte und Zukunft.