Wernigerode

Projekte vorerst auf Eis Planung der B244-Ortsumfahrung in Wernigerode gestoppt

Wernigerode. Die geplante Ortsumfahrung der Bundesstraße B244 im Harz sorgt seit Monaten für Diskussionen. Während die Landesstraßenbaubehörde an der Entwurfsplanung arbeitet, wächst der Widerstand in der Bevölkerung. Eine Petition fordert nun den Stopp des Trassenverlaufs, und auch politische Entscheidungsträger sehen weiteren Klärungsbedarf. Doch warum steht das Millionenprojekt plötzlich auf der Kippe?

Ein Projekt mit langer Vorgeschichte im Harz

Die Stadt Wernigerode im Harz ist seit Jahrzehnten vom Durchgangsverkehr der Bundesstraße B244 geprägt. Täglich rollen laut Prognosen rund 5.000 Fahrzeuge, darunter etwa 10 % Schwerlastverkehr, durch die engen Straßen der Altstadt. Besonders die Westerntorkreuzung gilt als Problemzone – sie ist überlastet, laut und gefährlich für Fußgänger. Die geplante Ortsumfahrung Wernigerode soll diese Situation entschärfen und die Lebensqualität in der Stadt verbessern.

Bereits 2023 hatte das Land Sachsen-Anhalt die Vorzugsvariante „S1-M1-N1“ beschlossen. Diese Variante sieht eine rund 4,2 Kilometer lange Trasse vor, die südlich der Stadt verlaufen und über einen Tunnel unter dem Fenstermacherberg führen soll. Die geschätzten Kosten: 161,1 Millionen Euro. Finanziert werden soll das Projekt im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans, in dem die Maßnahme als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft ist.

Von der Planung zum Widerstand – wie der Konflikt entstand

Was als Entlastungsmaßnahme für die Innenstadt gedacht war, hat sich inzwischen zu einem politischen und gesellschaftlichen Brennpunkt im Harz entwickelt. Anwohner im Mühlental und in Nöschenrode fürchten Enteignungen und Beeinträchtigungen durch Baulärm und Staub. In sozialen Medien berichten Betroffene von schlaflosen Nächten und der Sorge, ihre Grundstücke zu verlieren. Die Bürgerinitiative „B244 – Wernigerode ohne Schwerlastverkehr“ fordert daher, die Planungen zu überdenken und alternative Trassen – insbesondere über das Trecktal – zu prüfen.

„Wir brauchen keine Tunneltrasse für 160 Millionen Euro, wenn die LKW-Zahlen ohnehin sinken“, heißt es in einem der meistgeteilten Kommentare der Initiative auf Facebook.

Diese Kritik findet zunehmend politische Unterstützung. Auf dem Beteiligungsportal des Landes Sachsen-Anhalt sind bereits erste Einwendungen eingegangen, die den Bedarf des Projekts grundsätzlich infrage stellen. Auch die Online-Petition „Stopp des Trassenverlaufes B244“ sammelt Stimmen gegen den geplanten Verlauf. Sie argumentiert, dass sich die Verkehrsbelastung im Harz verändert habe: Der Schwerlastverkehr der Kalkwerke werde zunehmend auf die Schiene verlagert, und die Kreisstraße K1347 könne den Verkehr ausreichend aufnehmen.

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Die Kernfragen zum Projekt – Antworten auf häufige Bürgeranliegen

Wie lautet der aktuelle Planungsstand der B244-Ortsumfahrung Wernigerode?

Aktuell befindet sich das Projekt in der Entwurfsplanung. Nach der Linienbestätigung 2023 werden derzeit Detailpläne erstellt, die Tunnel- und Brückenkonstruktionen im geologischen Umfeld berücksichtigen. Gleichzeitig laufen geotechnische Untersuchungen und Umweltprüfungen. Die Beteiligungsphase für Bürger ist noch bis Dezember 2025 geöffnet.

Welche Trassenvarianten wurden bisher geprüft?

Insgesamt wurden mehrere Varianten untersucht: eine nördliche, eine mittlere und eine südliche Route. Die Variante mit Tunnelführung (S1-M1-N1) erhielt die höchste Bewertung hinsichtlich Verkehrswirkung, aber auch den größten Eingriff in Natur und Landschaft. Alternativen über das Trecktal wurden verworfen, da sie längere Fahrzeiten und höhere Kosten verursacht hätten. Dennoch wird diese Lösung von vielen Bürgern im Harz weiterhin als sinnvollste Option betrachtet.

Wie groß ist die Verkehrsbelastung wirklich?

Laut Verkehrszählung von 2023 beträgt die durchschnittliche tägliche Belastung auf der B244 etwa 4.800 Fahrzeuge, davon 850 LKW. Diese Zahlen sind deutlich niedriger als in früheren Prognosen. Kritiker argumentieren, dass diese Werte keine milliardenschweren Eingriffe rechtfertigen. Befürworter hingegen betonen, dass die Ortsumfahrung nicht nur der Entlastung, sondern auch der Verkehrssicherheit im Harz dienen soll.

Wie wird die Umwelt im Harz durch das Projekt beeinflusst?

Das geplante Baugebiet liegt in einem ökologisch sensiblen Bereich. Die Umweltverträglichkeitsstudie nennt mögliche Konflikte mit mehreren FFH- und Vogelschutzgebieten. Betroffen wären Lebensräume von Fledermäusen, Wildkatzen, Haselmäusen und Amphibien. Besonders kritisch wird der Tunnel unter dem Fenstermacherberg gesehen, da er in ein Gebiet mit hoher Grundwasserempfindlichkeit eingreift. Auch Lärm- und Stickstoffbelastungen spielen eine Rolle in der laufenden Umweltprüfung.

Was kostet das Projekt und wer trägt die Verantwortung?

Die aktuelle Kostenschätzung liegt bei rund 161 Millionen Euro. Verantwortlich ist die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Die Stadt Wernigerode selbst ist in beratender Rolle eingebunden. Sollte das Projekt umgesetzt werden, wären Bauzeit und Inbetriebnahme frühestens ab 2030 realistisch.

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Naturschutz und Lebensqualität – der schmale Grat der Planung

Zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltbewusstsein steht der Harz einmal mehr vor einer zentralen Weichenstellung. Während die einen auf den Ausbau der Infrastruktur pochen, warnen Umweltverbände vor irreversiblen Schäden. Die Ingenieurbüros, die mit der Umweltplanung beauftragt wurden, haben bereits mehrere faunistische Gutachten erstellt. Darin heißt es, dass eine Tunneltrasse „erhebliche Beeinträchtigungen“ nicht ausschließen könne – insbesondere in den Waldbereichen südöstlich von Wernigerode.

Auch in den sozialen Netzwerken formiert sich Widerstand. Unter Hashtags wie #HarzBleibtNatürlich oder #KeinTunnelAmFenstermacherberg teilen Bürger Bilder, Kommentare und Alternativvorschläge. Die Debatte zeigt: Der Harz ist mehr als eine Tourismusregion – er ist Lebensraum, Identität und zunehmend auch Schauplatz verkehrspolitischer Konflikte.

Das wirtschaftliche Argument – Entlastung oder Fehlinvestition?

Aus Sicht der Befürworter ist die B244-Ortsumfahrung ein wichtiger Schritt zur Stärkung der regionalen Wirtschaft. Unternehmen sollen von schnelleren Transportwegen profitieren, Pendler von verkürzten Fahrzeiten. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis von 3,9 wird häufig als Beweis für die Wirtschaftlichkeit des Projekts zitiert. Dennoch: Wenn der Verkehrsrückgang anhält, könnte dieses Verhältnis kippen.

Die Gegner argumentieren, dass eine Modernisierung bestehender Straßen – etwa der K1347 – deutlich günstiger und umweltschonender wäre. Zudem verweisen sie auf den demografischen Wandel im Harz, der langfristig zu weniger Pendelverkehr führen dürfte. Der Streit zwischen Infrastrukturinteressen und Nachhaltigkeit prägt damit das Bild der Diskussion stärker denn je.

Öffentliche Beteiligung – Bürgerstimmen gewinnen Gewicht

Erstmals in der Geschichte solcher Projekte in Sachsen-Anhalt wird die Öffentlichkeit digital beteiligt. Über das Beteiligungsportal des Landes können Bürger ihre Meinung direkt einbringen. Schon jetzt sind mehrere Einwendungen eingereicht worden, die den Trassenverlauf in seiner derzeitigen Form ablehnen. Dieses Verfahren gilt als Testlauf für künftige Großprojekte im Harz.

Einwendungen und Beteiligung im Überblick

Zeitraum der Beteiligung Anzahl bisheriger Einwendungen Schwerpunkt der Kritik
06.10.2025 – 07.12.2025 2 (Stand Oktober) Trassenverlauf, Kosten, Umweltbelastung

Viele Anwohner wünschen sich mehr Transparenz. „Wir wollen mitreden, bevor die Bagger rollen“, sagt eine Sprecherin der neuen Bürgerinitiative auf Facebook. Der Diskurs hat eine neue Qualität erreicht – nicht mehr nur Fachbehörden und Politiker bestimmen den Kurs, sondern zunehmend auch engagierte Bürger aus dem Harz selbst.

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Was passiert nach dem Stopp des Trassenverlaufs?

Mit der Petition und der wachsenden Kritik ist die geplante Umsetzung der B244-Ortsumfahrung Wernigerode vorerst ins Stocken geraten. Derzeit wird intern geprüft, ob Anpassungen an der Linienführung möglich oder alternative Varianten sinnvoll sind. Offiziell spricht das Land von einem „temporären Planungshalt“ – ein diplomatischer Ausdruck für ein Projekt, das politisch neu bewertet wird.

Fazit: Zwischen Fortschritt und Verantwortung – wie der Harz über seine Zukunft entscheidet

Die Diskussion um die B244-Ortsumfahrung zeigt exemplarisch, wie tiefgreifend Infrastrukturprojekte in die Lebensrealität einer Region eingreifen können. Im Harz geht es längst nicht nur um Asphalt und Tunnel, sondern um die Balance zwischen Fortschritt, Umweltbewusstsein und regionaler Identität. Die Stimmen aus der Bevölkerung werden lauter, die politischen Fronten klarer. Ob die B244-Ortsumfahrung in Wernigerode tatsächlich kommt, hängt nun weniger von technischen Gutachten als von gesellschaftlichem Konsens ab.

Fest steht: Der Harz bleibt im Fokus – als Landschaft, die verbindet, aber auch als Raum, in dem Zukunftsfragen des ländlichen Raums entschieden werden. Der Stopp des Trassenverlaufs ist daher mehr als nur eine Planungsunterbrechung – er ist ein Symbol für den Wandel einer ganzen Region, die lernt, ihre Zukunft selbst zu gestalten.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.