Goslar

Ernte unter Druck: Landwirte im Landkreis Goslar kämpfen gegen Regen, Kosten und Zeit

Goslar – Im Landkreis Goslar spitzt sich die Lage für Landwirte zu. Nach wochenlangen Regenfällen steht ein Teil der Getreideernte auf der Kippe. Neben Qualitätsverlusten drohen auch massive Mehrkosten, organisatorischer Stress und wetterbedingte Ernteverzögerungen.

Regen als Hauptgegner der Saison 2025

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie abhängig die Landwirtschaft vom Wetter ist – und wie schnell eine Saison ins Wanken geraten kann. Im Landkreis Goslar haben anhaltende Niederschläge im Juli und August 2025 die Druschtermine immer wieder verschoben. Landwirte berichten von Feldern, die trotz guter Bestände nicht befahrbar sind. „Jede Stunde ohne Regen zählt. Wir stehen mit den Maschinen in den Startlöchern, aber der Boden lässt es nicht zu“, erklärt ein Landwirt aus dem Nordharz.

Besonders betroffen ist der Winterweizen, der auf vielen Flächen inzwischen zu feucht ist. Durch die hohe Kornfeuchtigkeit entstehen zusätzliche Trocknungskosten, und das Risiko von Auswuchs steigt – gekeimtes Korn in der Ähre, das die Backqualität massiv verschlechtert. Auch Gerste und Roggen leiden unter den schwierigen Bedingungen, während Raps vielerorts bereits vom Feld ist, jedoch ebenfalls Einbußen durch Starkniederschläge verzeichnete.

Erntefenster schrumpfen dramatisch

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) spricht von einem Sommer, der von Wetterextremen geprägt ist. Starke Gewitter, plötzliche Starkregenereignisse und kurze, trockene Phasen zwingen die Landwirte, flexibel und mit hoher Schlagkraft zu arbeiten. Im Landkreis Goslar bedeutet das: Sobald es trocken ist, beginnt der Drusch – oft bis spät in die Nacht und im Schichtbetrieb. Diese Arbeitsweise fordert nicht nur Maschinen und Personal, sondern auch die Nerven der Betriebsleiter.

In den Sozialen Medien dokumentieren Landwirte aus der Region ihre Herausforderungen: Erntevideos mit dampfenden Mähdreschern in schmalen Sonnenfenstern, Bilder von schweren Maschinen, die tiefe Spuren im Boden hinterlassen, und Diskussionen über steigende Trocknungspreise pro Tonne.

Qualitätseinbußen: Vom Brot- zum Futterweizen

Die witterungsbedingte Kornfeuchtigkeit hat gravierende Folgen. Wird der Weizen zu feucht geerntet, droht eine Abwertung von Brot- zu Futterweizen. Das bedeutet nicht nur geringere Verkaufspreise, sondern auch das Verfehlen von Lieferverträgen mit Mühlen. Die Fallzahl – ein Qualitätsindikator, der die Backfähigkeit beschreibt – sinkt bei feuchtem und gekeimtem Korn rapide.

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Landwirte stehen vor der Frage: Ernten und höhere Trocknungskosten in Kauf nehmen, oder warten und riskieren, dass Qualität und Ertrag weiter sinken? Diese Zwickmühle betrifft aktuell viele Betriebe im Harzvorland und darüber hinaus.

Ökonomische Belastungen steigen

Neben den direkten Ernteproblemen belasten steigende Betriebskosten die Landwirte. Trocknungskosten können je nach Ausgangsfeuchte und Energiepreisen erheblich variieren. Hinzu kommen mögliche Einbußen durch Qualitätsabstufungen. In landwirtschaftlichen Foren wird hitzig über Abrechnungsmodalitäten diskutiert: Manche Annahmestellen rechnen auf Basis von 14 % Feuchte ab, andere kalkulieren bis zu 30 % – ein Unterschied, der bei großen Mengen mehrere tausend Euro ausmachen kann.

Ein weiterer Kostenfaktor ist die Logistik. Genossenschaften und Annahmestellen passen ihre Prozesse an, um auch feuchteres Getreide schnell verarbeiten zu können. Dies erfordert zusätzliche Trocknungskapazitäten und erhöht den Energiebedarf.

Bodenschäden und langfristige Folgen

Die nassen Böden stellen nicht nur kurzfristig ein Problem dar. Befahrungen mit schweren Erntemaschinen hinterlassen tiefe Spurrillen, die die Bodenstruktur schädigen. Diese Verdichtungen wirken sich auf die Wasserdurchlässigkeit und Wurzelentwicklung in den kommenden Jahren aus. „Jeder Meter, den wir jetzt im Matsch fahren, ist eine Hypothek auf die nächsten Ernten“, kommentiert ein Landwirt aus der Region in einem Facebook-Post.

Gleichzeitig zeigen Wetterstatistiken, dass solche Starkniederschlagsperioden in den Sommermonaten häufiger werden – eine Entwicklung, die langfristige Anpassungsstrategien erfordert.

Weitere Risiken: Hagel, Sturm und Schadinsekten

Während die Regenmengen in Goslar derzeit im Vordergrund stehen, drohen auch andere Gefahren. Anfang August 2025 zogen schwere Hagel- und Sturmzellen über Teile Niedersachsens und verursachten Millionenschäden, insbesondere an erntereifem Raps. Solche Wetterextreme können auch den Landkreis Goslar treffen und die Situation kurzfristig dramatisch verschärfen.

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Hinzu kommt die zunehmende Ausbreitung von Schadinsekten wie der Schilf-Glasflügelzikade, die vor allem Zuckerrüben und Kartoffeln bedroht. Zwar ist der aktuelle Schaden in der Region gering, doch Experten warnen vor einer möglichen Zunahme in den kommenden Jahren.

Versicherung als Sicherheitsnetz

Ein positives Signal für Landwirte in Niedersachsen: Seit 2025 fördert das Land Mehrgefahren-Ernteversicherungen mit bis zu 50 % der Prämie. Diese Policen decken nicht nur Dürre und Sturm, sondern auch Starkregen und Hagel ab. Für viele Betriebe im Landkreis Goslar könnte das ein entscheidender Schritt sein, um wetterbedingte Ernteverluste abzusichern. Dennoch bleibt der Abschluss für kleinere Betriebe eine Kostenfrage – und ersetzt nicht die Notwendigkeit, Erntefenster optimal zu nutzen.

Arbeitsdruck auf dem Höhepunkt

Die psychische Belastung der Landwirte ist in dieser Saison besonders hoch. Social-Media-Beiträge berichten von durchgearbeiteten Nächten, Schlafmangel und der ständigen Sorge um Wetterumschwünge. Die Koordination von Maschinen, Personal, Annahmestellen und Wetterdaten wird zum Vollzeitjob – zusätzlich zur eigentlichen Feldarbeit.

„Wir schauen gefühlt alle zehn Minuten auf die Wetter-App“, schildert eine Betriebsleiterin aus der Region. „Es ist ein ständiger Wettlauf mit den Wolken.“

Regionale Bedeutung der Ernte

Getreide bleibt im Landkreis Goslar ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Mit einer starken Präsenz von Winterweizen, Gerste und Roggen trägt die Region maßgeblich zur Versorgung in Niedersachsen bei. Ertrags- und Qualitätseinbußen wirken sich daher nicht nur auf die Betriebe selbst aus, sondern auch auf nachgelagerte Bereiche wie Mühlen, Futtermittelwerke und den Handel.

Die Flächendaten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen unterstreichen diese Bedeutung: Winterweizen belegt über 350.000 Hektar landesweit, Gerste rund 143.000 Hektar und Roggen 122.000 Hektar. Jede Ernteverzögerung im Harzvorland hat damit potenziell spürbare Folgen für den gesamten Markt.

Fragen für die kommenden Wochen

  • Wie lange halten die aktuellen Regenphasen an – und welche Erntefenster bleiben realistisch?
  • Können Trocknungskapazitäten die Mengen bei hoher Kornfeuchte überhaupt bewältigen?
  • Welche Kosten entstehen pro Tonne durch die zusätzlichen Trocknungsprozesse?
  • Wie stark wird die Fallzahl und damit die Backqualität des Weizens sinken?
  • Können Versicherungsmodelle die wirtschaftlichen Risiken ausreichend abfedern?
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Organisatorische Antworten der Betriebe

Viele Landwirte reagieren auf die Herausforderungen mit klarer Strategie: ständige Wetterüberwachung, flexible Schichtpläne, kurzfristige Anmietung zusätzlicher Maschinen und enge Abstimmung mit Annahmestellen. Einige Betriebe kooperieren, um Trocknungskapazitäten gemeinsam zu nutzen und Transporte zu optimieren. Die Devise lautet: so viel wie möglich ernten, sobald es das Wetter erlaubt.

Ausblick auf den Rest der Saison

Die kommenden Wochen entscheiden, wie hoch die Ernteausfälle im Landkreis Goslar tatsächlich ausfallen werden. Viel hängt davon ab, ob stabile, trockene Phasen eintreten. Gleichzeitig wird die Saison 2025 als Beispiel dafür dienen, wie schnell sich witterungsbedingte Risiken kumulieren können: vom verzögerten Drusch über steigende Kosten bis hin zu strukturellen Schäden am Boden.

Die Landwirte der Region wissen: Jeder Sommer bringt neue Unwägbarkeiten. Doch selten war die Kombination aus anhaltendem Regen, hoher Arbeitslast, steigenden Betriebskosten und zusätzlicher Extremwettergefahr so belastend wie in diesem Jahr. Umso wichtiger ist es, dass Politik, Verbände und Verbraucher ein Bewusstsein für die enorme Arbeit entwickeln, die hinter jedem Sack Mehl und jedem Laib Brot steckt.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.