
Wernigerode, 02. Juni 2025, 11:30 Uhr
Wie viel verdienen die Menschen im Landkreis Harz wirklich? Diese Frage beschäftigt nicht nur Einheimische, sondern auch Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Denn das Einkommen ist ein zentraler Indikator für Lebensqualität, regionale Entwicklung und wirtschaftliche Chancen. Der aktuelle Überblick zeigt: Die Gehälter im Landkreis Harz liegen noch immer unter dem Bundesdurchschnitt – doch es gibt auch positive Tendenzen.
Stabile Entwicklung trotz Rückstand: Einkommen im Landkreis Harz
Im Jahr 2022 lag das verfügbare Einkommen pro Kopf im Landkreis Harz bei 23.375 Euro. Damit bleibt die Region unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 25.830 Euro und auch unter dem Landesdurchschnitt Sachsen-Anhalts. Dennoch zeigt sich: Die Einkommen steigen kontinuierlich an. Im Vergleich zum Vorjahr konnten die Einwohnerinnen und Einwohner durchschnittlich 1.210 Euro mehr zur Verfügung verbuchen – das entspricht einem Zuwachs von 5,6 Prozent.
Auch beim sogenannten Primäreinkommen, das alle Einkommen vor staatlichen Transfers und Steuern umfasst, zeigt sich ein Aufwärtstrend. Hier wurde 2022 ein Wert von 23.125 Euro erreicht – ein Plus von 1.507 Euro bzw. 6,9 Prozent im Vergleich zu 2021. Damit liegt der Harz leicht über dem durchschnittlichen Einkommenswachstum anderer Landkreise.
Was ist eigentlich „verfügbares Einkommen“?
Das verfügbare Einkommen ist eine entscheidende Kennzahl in der Einkommensstatistik. Es bezeichnet die Summe, die einer Person nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben sowie unter Berücksichtigung staatlicher Transfers wie Kindergeld oder Sozialleistungen tatsächlich zur Verfügung steht. Es ist damit ein besserer Gradmesser für den individuellen finanziellen Spielraum als das Bruttoeinkommen allein.
Primäreinkommen: Grundlage des Wohlstands
Das Primäreinkommen bildet das gesamte Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Vermögen und Unternehmensgewinnen ab – noch vor Umverteilungsmaßnahmen des Staates. Es ist damit ein guter Indikator für die wirtschaftliche Stärke einer Region. Der Anstieg im Landkreis Harz zeigt, dass hier wirtschaftliche Entwicklungen greifen und sich positive Effekte auf die Einkommensstruktur auswirken.
Regionale Einkommensunterschiede im Landkreis
Doch Einkommenssituation ist nicht gleich Einkommenssituation – selbst innerhalb des Landkreises Harz zeigen sich regionale Unterschiede. Während Städte wie Wernigerode oder Ilsenburg mit einer starken Metall- und Maschinenbauindustrie vergleichsweise gut aufgestellt sind, fallen ländlichere Gebiete mit einem hohen Tourismusanteil oft ab. Das Gastgewerbe, das in den Harzer Kur- und Ferienorten eine zentrale Rolle spielt, bietet meist niedrigere Löhne und weniger stabile Beschäftigungsstrukturen.
Einfluss der Branche auf das Einkommen
Die Branchenstruktur spielt eine wesentliche Rolle bei der Einkommenshöhe. Der Industriesektor, zu dem etwa die Metallverarbeitung in Ilsenburg gehört, zahlt in der Regel höhere Löhne als der Dienstleistungssektor oder das Gastgewerbe. Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung, dem Gesundheitswesen oder in Bildungsinstitutionen profitieren ebenfalls von stabileren Einkommen, wenngleich diese nicht immer überdurchschnittlich hoch sind.
Arbeitsmarkt und Sozialstruktur im Landkreis
Der Arbeitsmarkt im Harz zeigt sich stabil: Mit einer Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent (Stand: Dezember 2023) liegt der Landkreis unter dem Landesdurchschnitt Sachsen-Anhalts von 7,5 Prozent. Das zeigt, dass der lokale Arbeitsmarkt eine gewisse Resilienz besitzt – auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.
Dennoch gibt es nach wie vor eine relevante Zahl an sogenannten Aufstockern. Im Dezember 2024 waren es 1.766 Personen, die trotz Erwerbstätigkeit zusätzlich Grundsicherungsleistungen beziehen mussten. Diese Zahl verdeutlicht, dass ein erheblicher Teil der Beschäftigten nicht genug verdient, um den Lebensunterhalt eigenständig zu decken. Hier besteht weiterhin sozialpolitischer Handlungsbedarf.
Öffentlicher Dienst als stabiler Arbeitgeber
Ein Blick auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zeigt: Im Landkreis Harz bieten die Verwaltungen solide und vergleichsweise sichere Einkommen. So verdienen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter durchschnittlich rund 46.900 Euro brutto im Jahr, Verwaltungsfachangestellte etwa 43.700 Euro. Hinzu kommen Vorteile wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten und eine hohe Arbeitsplatzsicherheit.
Die Zufriedenheit unter den Mitarbeitenden ist hoch: Rund 83 Prozent äußerten sich positiv über ihre Bezahlung. Kritisiert werden jedoch punktuell veraltete Arbeitsmittel und langsame IT-Strukturen, die die Effizienz bremsen. Dennoch zeigt sich: Der öffentliche Dienst bleibt ein attraktiver Arbeitgeber in der Region – besonders für junge Menschen auf Jobsuche.
Einkommensverteilung – Wer verdient wie viel?
Ein genauer Blick auf die Einkommensverteilung macht deutlich, wie stark die Gehaltsschere innerhalb des Landkreises auseinandergeht. Während in industriellen Berufen mit qualifizierter Ausbildung Jahresgehälter über 45.000 Euro erreicht werden, liegen die Einkommen im Einzelhandel oder in der Gastronomie oftmals unter 25.000 Euro jährlich.
Berufsgruppe | Durchschnittliches Bruttojahreseinkommen |
---|---|
Industriefacharbeiter | 46.000 € |
Pflegekräfte | 39.500 € |
Verwaltungsangestellte | 43.700 € |
Einzelhandel (Vollzeit) | 28.000 € |
Gastronomie | 24.000 € |
Positive Dynamik mit Potenzial
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen: Der Landkreis Harz bewegt sich in die richtige Richtung. Einkommen steigen, die Arbeitslosenquote sinkt, der öffentliche Dienst bietet sichere Perspektiven. Gleichzeitig bestehen strukturelle Herausforderungen fort – insbesondere im unteren Einkommensbereich und in tourismusgeprägten Gemeinden.
Die Herausforderung für Politik und Wirtschaft wird es in den kommenden Jahren sein, diese positive Dynamik zu nutzen und zugleich Maßnahmen zu ergreifen, um die soziale Schere nicht weiter auseinanderklaffen zu lassen. Eine Stärkung des Ausbildungssystems, gezielte Förderprogramme für strukturschwächere Regionen und die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen können hier wichtige Impulse setzen.
Fazit: Der Harz bleibt auf Kurs – aber der Abstand bleibt
Der Landkreis Harz zeigt eine erfreuliche Einkommensentwicklung. Mit einem durchschnittlichen verfügbaren Einkommen von über 23.000 Euro ist die Region jedoch noch nicht auf Bundesniveau angekommen. Dennoch: Die Lücke verringert sich, und die positiven Trends am Arbeitsmarkt, in der Verwaltung und im Industriesektor zeigen, dass der Harz auf dem richtigen Weg ist.
Der Weg zu mehr Einkommensgerechtigkeit, wirtschaftlicher Stärke und gleichwertigen Lebensverhältnissen in allen Teilen Deutschlands bleibt jedoch lang – auch im Harz. Wichtig ist, dass der begonnene Wandel weiter aktiv gestaltet wird. Nur so kann aus dem Einkommensrückstand langfristig ein Standortvorteil werden.