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Quedlinburg | HSB stellt Zugverkehr ein – Was es nun zu beachten gilt

Quedlinburg, 12. Juni 2025, 08:30 Uhr (CCS)

Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) haben den Zugbetrieb auf der Strecke zwischen Quedlinburg und Gernrode vom 16. Juni bis zum 9. August 2025 vollständig eingestellt. Grund sind umfangreiche Bauarbeiten, die sowohl Gleisabschnitte als auch angrenzende Infrastruktur betreffen. Für Fahrgäste bedeutet das: Umstieg auf Busse im Schienenersatzverkehr, verlängerte Fahrzeiten und veränderte Anschlüsse. Der Eingriff ist Teil eines umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsplans der HSB, sorgt jedoch auch für Kritik und Verunsicherung.

Modernisierung mit Nebenwirkungen

Im Zentrum der Maßnahme steht die Erneuerung zweier Bahnübergänge in Quedlinburg, konkret in der Stresemannstraße und im Gernröder Weg. Hier müssen im Untergrund Wasser-, Abwasser-, Strom- und Gasleitungen ersetzt werden. Parallel dazu werden Gleisbauarbeiten durchgeführt, die eine vollständige Sperrung der Strecke erforderlich machen. Nach Angaben der HSB ist der Zeitraum alternativlos, um alle Gewerke koordiniert und termingerecht umzusetzen.

Schienenersatzverkehr soll Anschluss sichern

Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, wird zwischen Quedlinburg und Gernrode ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Die Ersatzhaltestellen sind ausgeschildert, und in Gernrode besteht Anschluss an die regulären HSB-Züge Richtung Harzgerode, Alexisbad und Brocken. Dennoch rechnen Pendler und Touristen mit längeren Fahrtzeiten und Einschränkungen im gewohnten Verkehrsfluss.

Stimmen aus der Region: Widerstand und Verunsicherung

Die Reaktionen auf die Ankündigung der Sperrung sind gemischt – insbesondere aus der Lokalpolitik und Tourismuswirtschaft kommt deutliche Kritik. Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise etwa bezeichnete die Maßnahme als „Angriff auf die Strecke“ und warnte vor einem Rückgang der Besucherzahlen in der Region. Auch Hoteliers und Gastronomen äußerten sich besorgt.

Lars Zimmermann, Betreiber eines Hotels in Gernrode, findet klare Worte:

„Für uns ist das katastrophal. Die Wintersaison war bereits schwierig, und nun fehlt auch noch der direkte Bahnanschluss – das trifft uns hart.“

Die Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen die Maßnahme selbst, sondern auch gegen deren Kommunikation. Viele Akteure vor Ort fühlten sich zu spät oder gar nicht in die Planung einbezogen.

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Reaktionen aus der Kommunalpolitik

Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch zeigte ebenfalls wenig Verständnis für die Vorgehensweise der HSB. Er kündigte an, das Thema in den entsprechenden Aufsichtsgremien zur Sprache zu bringen. Die HSB wiederum verweist auf die Notwendigkeit der Maßnahme und betont, dass der Zeitplan bereits seit Monaten bekannt sei.

Peter Gaffert, Oberbürgermeister von Wernigerode und Vorsitzender des HSB-Aufsichtsrates, verteidigte das Vorgehen, wies aber auf strukturelle Probleme hin:

„Die Probleme liegen nicht nur bei den Baumaßnahmen. Auch die Personaldecke ist ein Thema, das uns seit Langem beschäftigt.“

Mehr als nur eine Baustelle: Der strukturelle Kontext

Die aktuelle Sperrung ist kein Einzelfall, sondern Teil eines umfangreichen Sanierungsprogramms im gesamten HSB-Netz. So wird parallel auch der Abschnitt Alexisbad–Harzgerode über mehrere Monate hinweg durch Busse ersetzt. Die Häufung solcher Maßnahmen ist zum Teil auf zurückliegende technische Probleme und den Sanierungsstau bei den Fahrzeugen zurückzuführen.

Statistik: HSB im Überblick

Die HSB betreiben mit rund 140 Kilometern das größte zusammenhängende Meterspurnetz Deutschlands. Der Mix aus touristischem Erlebnisverkehr und regionalem Transport umfasst jährlich rund 1 bis 1,2 Millionen Fahrgäste. Die Linie Quedlinburg–Gernrode gilt als eine der wichtigsten Verbindungen für Pendler.

Finanzielle Förderung und strategischer Umbau

Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt die HSB bis 2025 mit insgesamt rund 22,7 Millionen Euro. Diese Mittel stammen aus einem Verkehrsvertrag und gezielter Infrastrukturförderung. Ziel ist die Sicherung des Betriebs, die Modernisierung des Fuhrparks und die Entwicklung eines Zukunftskonzepts bis 2030. Besonders im Fokus: nachhaltige Finanzierung, neue Fahrpläne und der Ausbau touristischer Erlebnisangebote.

Fahrgastperspektive: Anschlussprobleme und Unsicherheit

Neben den strukturellen Themen werden auch konkrete Fahrplanprobleme diskutiert. So bemängeln Nutzer, dass der direkte Anschluss vom Selketal zur Harzquerbahn während der Sperrzeit nicht gewährleistet sei. Das betrifft insbesondere Fahrgäste, die vom Bahnhof Quedlinburg aus eine Weiterfahrt zum Brocken planen.

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Einige Stimmen aus Bahnforen sprechen davon, dass der Wegfall dieser Verbindung faktisch zu einer „Entkoppelung der Streckennetze“ führe. Das widerspreche dem touristischen Anspruch der Region und könne langfristig Besucher abschrecken.

Technik, Geschichte und touristische Besonderheiten

Die Verbindung zwischen Quedlinburg und Gernrode ist nicht nur infrastrukturell bedeutsam, sondern auch historisch und touristisch. Die Selketalbahn, 1887 eröffnet, ist die älteste Meterspurbahn im Harz und führt durch landschaftlich reizvolle Regionen, darunter der Ostergrund mit dem Heiligen Teich – ein Naturdenkmal aus dem 10. Jahrhundert.

Die Strecke weist mit einer Steigung von 1:25 die steilste Trassierung im gesamten HSB-Netz auf. Für Eisenbahnfreunde sind insbesondere die eingesetzten Dampflokomotiven von historischem Interesse, darunter Lokomotiven der Baureihen 99 6001 und 99 5906. Die Pflege und Präsentation dieser Fahrzeuge ist ein Bestandteil der touristischen Vermarktung.

Eventangebote im Fokus

In den letzten Jahren hat die HSB ihr Angebot um zahlreiche Erlebnisformate erweitert, darunter Gin-Tastings im Salonwagen, Krimidinner-Fahrten und Sonderzüge zu Feiertagen. Diese Maßnahmen sollen vor allem neue Zielgruppen ansprechen und die Marke „HSB“ über den reinen Fahrbetrieb hinaus positionieren.

Kurzfristige Einschränkungen mit langfristiger Wirkung?

Im Frühjahr 2025 waren bereits kurzfristige Gleisarbeiten auf der Strecke notwendig – ein Hinweis darauf, dass die Infrastruktur tatsächlich am Limit ist. In diesem Zusammenhang werden auch ältere Ausfälle von Triebwagen und Lokomotiven genannt, die zu Verspätungen und SEV-Maßnahmen führten.

Eine Übersicht der bisherigen Baustellen zeigt:

Strecke Zeitraum Maßnahme Verkehrslösung
Quedlinburg–Gernrode 16.06.–09.08.2025 Bau von Versorgungsleitungen, Gleisarbeiten SEV mit Bussen
Alexisbad–Harzgerode April–November 2025 Gleissanierung SEV mit längeren Umwegen
Selketalbahn (diverse) Frühjahr 2025 Wartung, Triebwagentausch Teilweise SEV, eingeschränkter Fahrplan
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Zwischen Erhalt und Herausforderung

Die Sperrung der Strecke zwischen Quedlinburg und Gernrode ist zweifellos ein Eingriff mit spürbaren Folgen – für Touristen, für Pendler und für die lokale Wirtschaft. Gleichzeitig ist sie Teil eines größeren Plans zur Sanierung und Zukunftssicherung der Harzer Schmalspurbahnen.

Wie erfolgreich dieser Plan sein wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie transparent die Kommunikation gegenüber Fahrgästen, Politik und Öffentlichkeit gestaltet wird. Nur wenn die Menschen vor Ort das Gefühl haben, Teil der Entwicklung zu sein, lässt sich Vertrauen aufrechterhalten – auch in Zeiten, in denen Züge durch Busse ersetzt werden müssen.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.