Sachsen-Anhalt

Beamter nennt Kolleginnen abfällig „Bumsklumpen“ Sexismus-Skandal bei der Polizei in Sachen-Anhalt

Magdeburg – Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt sorgt für hitzige Diskussionen: Ein Polizeianwärter, der in einem Chat Frauen als „Bumsklumpen“ bezeichnete, darf seinen Dienst fortsetzen. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf Sexismus in Polizeistrukturen und stellt die Frage, wie weit Meinungsfreiheit im Beamtenverhältnis gehen darf.

Der Fall: Ein frauenverachtender Chat und ein umstrittenes Urteil

Im Jahr 2020 teilte ein Polizeianwärter in einer dienstlichen WhatsApp-Gruppe ein Foto, das eine nackte, körperlich behinderte Frau zeigte, versehen mit dem Schriftzug „Bumsklumpen“. Diese Bezeichnung, eine entwürdigende Kombination aus Sexual- und Körperverachtung, löste erst Jahre später disziplinarische Konsequenzen aus, als Ermittler die Chatprotokolle durchsuchten. Insgesamt enthielten diese mehr als 5.000 Nachrichten – darunter auch zahlreiche geschmacklose und frauenverachtende Inhalte.

Als der Vorfall 2023 bekannt wurde, reagierte die Polizeibehörde mit einer drastischen Maßnahme: Der Anwärter wurde aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Begründet wurde dies mit einem schwerwiegenden Verstoß gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 des Beamtenstatusgesetzes. Doch der Fall endete nicht dort – der junge Mann legte Widerspruch und schließlich Klage ein, die erst beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg Gehör fand.

Warum durfte der Polizist Frauen als „Bumsklumpen“ bezeichnen?

Das OVG kam im September 2025 zu einem Urteil, das viele fassungslos machte: Die Entlassung war rechtswidrig. Der entscheidende Punkt: Die beanstandete Äußerung fiel vor Beginn der offiziellen Probezeit. Damit konnte das Verhalten juristisch nicht als Pflichtverletzung während der Beamtentätigkeit gewertet werden. Außerdem habe sich der Anwärter seitdem „untadelig“ verhalten – es gebe keine Hinweise auf eine gefestigte frauenfeindliche Gesinnung.

In seiner Urteilsbegründung betonte das Gericht, dass die Chatnachricht zwar „drastisch“ und „geschmacklos“ gewesen sei, jedoch als „jugendliche Unreife“ einzustufen sei. Eine charakterliche Ungeeignetheit für den Polizeidienst sei daraus nicht zwingend ableitbar.

Zwischen Meinungsfreiheit und Wohlverhaltenspflicht

Dieser Fall steht im Spannungsfeld zwischen Grundrechten und beamtenrechtlichen Pflichten. Die Meinungsfreiheit gilt auch für Beamte – allerdings eingeschränkt durch die sogenannte Wohlverhaltenspflicht. Diese verpflichtet sie, sich so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Neutralität und Integrität der Verwaltung nicht erschüttert wird. Das gilt auch außerhalb des Dienstes.

Juristen verweisen hier auf das Mäßigungsgebot: Beamte müssen auch in privaten Äußerungen Zurückhaltung üben. Doch was passiert, wenn derartige Aussagen in privaten Chatgruppen getätigt werden, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren? Genau hier liegt die juristische Grauzone. Private Kommunikation genießt besonderen Schutz – solange sie nicht eindeutig verfassungsfeindlich oder diskriminierend gegenüber konkreten Personen ist.

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Kann eine einmalige beleidigende Äußerung zur Entlassung führen?

Die Antwort ist komplex. Grundsätzlich kann eine einmalige Entgleisung disziplinarisch geahndet werden – etwa mit einer Verwarnung oder Kürzung der Bezüge. Eine sofortige Entlassung gilt nur als verhältnismäßig, wenn die Tat besonders schwerwiegend ist oder wiederholt vorkommt. Im Fall des „Bumsklumpen“-Postings sah das Gericht diese Schwelle nicht überschritten.

Reaktionen aus Gesellschaft und Polizei

Die Entscheidung des Gerichts stieß in sozialen Medien und Polizeiforen auf breite Kritik. Auf Plattformen wie Reddit und Bluesky wurde das Urteil teils als „Skandal“ bezeichnet. Viele Nutzer sahen darin ein Signal, dass Frauenfeindlichkeit in Polizeistrukturen zu milde behandelt werde. Andere verteidigten das Urteil mit dem Argument der Rechtsstaatlichkeit und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

In Polizeiforen fordern Kolleginnen und Kollegen inzwischen verstärkt unabhängige Kontrollinstanzen, die Disziplinarfälle prüfen – außerhalb der eigenen Behörden. Ein Nutzer schrieb: „Solange interne Ermittlungen unter Kollegen laufen, wird sich an der Kultur nichts ändern. Wir brauchen externe Aufsicht, damit Fehlverhalten nicht unter den Teppich gekehrt wird.“

Wie häufig werden Fälle von Sexismus bei der Polizei gemeldet?

Eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zeigt, dass sexistische oder diskriminierende Äußerungen zu den häufigsten Fehlverhalten innerhalb der Polizei gehören. Befragt wurden 19 Polizistinnen, Polizisten und Mitarbeitende aus Beschwerdestellen in Berlin und Schleswig-Holstein. Das Ergebnis: Viele Betroffene oder Zeugen zögern, solche Vorfälle zu melden – aus Angst vor Repressalien, sozialer Ausgrenzung oder wegen mangelnden Vertrauens in die Ansprechstellen.

Die GFF-Studie beschreibt zudem Fälle, in denen Frauen innerhalb der Polizei sexuell belästigt oder verbal herabgewürdigt wurden. Der Bericht fordert klare Schutzmechanismen, mehr Schulungen und ein Whistleblowing-System mit echter Vertraulichkeit.

Ein strukturelles Problem

Auch außerhalb dieses Einzelfalls mehren sich Berichte über Sexismus in Polizeibehörden. 2024 wurde etwa ein Beamter in Bayern verurteilt, nachdem er das Foto einer Kollegin manipuliert und in pornografischem Kontext verbreitet hatte. Derartige Fälle unterstreichen, dass Sexismus kein isoliertes Phänomen ist, sondern ein strukturelles Problem, das sich über Jahre in den Kommunikationskulturen festgesetzt hat.

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Das Bundesinnenministerium reagierte auf diese Entwicklungen mit einem Schwerpunktprogramm gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Ziel ist es, ein Klima zu schaffen, in dem Frauen sowohl im Dienst als auch in der Gesellschaft vor Diskriminierung und Gewalt geschützt werden. Die Zahl der gemeldeten Fälle steigt laut BMI jährlich, was auf ein wachsendes Bewusstsein, aber auch auf bisherige Defizite in den Behörden hindeutet.

Juristische Einordnung: Wohlverhaltenspflicht, Disziplinarrecht und Grundrechte

Die sogenannte Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Beamtenstatusgesetz) besagt, dass Beamte sowohl im Dienst als auch privat so auftreten müssen, dass das Vertrauen in die Verwaltung nicht beeinträchtigt wird. Dies schließt diskriminierende oder menschenverachtende Äußerungen ein. Gleichzeitig wird dieses Gebot durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) begrenzt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt betont, dass private Kommunikation besonders geschützt ist. Disziplinarische Maßnahmen sind nur dann zulässig, wenn die Aussagen öffentlich werden oder das Ansehen der Behörde unmittelbar beeinträchtigen. In vertraulichen Gruppen, die keinen Außenbezug haben, ist eine Sanktion daher schwieriger durchzusetzen.

Gilt die Wohlverhaltenspflicht auch für private Chats?

Ja – grundsätzlich schon. Doch der konkrete Fall zeigt die Grenzen der Durchsetzbarkeit. Private Chats unterliegen einem hohen Schutz der Privatsphäre. Wird ein Chat durch Zufall oder im Rahmen anderer Ermittlungen öffentlich, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit solcher Beweise. Gerichte wägen hier zwischen Datenschutz, Vertrauensschutz und dem öffentlichen Interesse ab.

Der zeitliche Aspekt: Vor oder während der Probezeit?

Ein zentrales Argument des OVG war der Zeitpunkt der Äußerung. Der Chatbeitrag entstand, bevor der Anwärter offiziell in die Probezeit eintrat. Das bedeutet, er stand noch nicht unter dem disziplinarrechtlichen Regime des Beamtentums. Diese zeitliche Abgrenzung war entscheidend – sie führte letztlich dazu, dass das Gericht keine Grundlage für die Entlassung sah.

Der Fall illustriert ein wiederkehrendes Problem: Handlungen vor Beginn des Dienstverhältnisses können nur dann zur Disqualifikation führen, wenn sie unmittelbar auf die charakterliche Eignung schließen lassen. Bei einer einmaligen jugendlichen Entgleisung, so das Gericht, sei das nicht gegeben.

Öffentliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Verantwortung

Die Reaktionen auf das Urteil zeigen eine tiefe gesellschaftliche Spaltung. Während viele Bürgerinnen und Bürger Entsetzen über die milde juristische Bewertung äußern, sehen andere im Urteil einen wichtigen Schutz der individuellen Rechte. Diese Spannung zwischen moralischem Empfinden und juristischer Präzision ist typisch für Fälle, in denen gesellschaftliche Sensibilität und Rechtsstaat aufeinandertreffen.

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In sozialen Medien wird vor allem die Symbolwirkung kritisiert: Wenn ein Polizeianwärter trotz frauenverachtender Äußerungen weiter im Dienst bleiben darf, schwäche dies das Vertrauen in die Gleichberechtigung innerhalb der Polizei. Befürworter des Urteils betonen hingegen, dass der Rechtsstaat auch bei moralisch verwerflichem Verhalten differenziert bleiben müsse.

Ein Signal mit Nachhall

Juristen und Polizeiexperten sehen den Fall als Weckruf. Zwar sei der individuelle Vorfall juristisch abgeschlossen, doch der gesellschaftliche Diskurs über Frauenfeindlichkeit im Polizeidienst stehe erst am Anfang. Ausbildungsprogramme, Sensibilisierungskampagnen und Führungsverantwortung müssten gestärkt werden, um eine Kultur des Respekts zu fördern. Die Polizei als Institution steht vor der Aufgabe, interne Kommunikationskulturen kritisch zu hinterfragen und ein modernes, werteorientiertes Selbstverständnis zu entwickeln.

Abschließende Betrachtung: Vertrauen, Verantwortung und Veränderung

Der sogenannte „Bumsklumpen“-Fall zeigt exemplarisch, wie schwer es ist, individuelle Fehltritte und strukturelle Probleme voneinander zu trennen. Er verdeutlicht, dass das Vertrauen in die Polizei nicht allein durch Gesetze, sondern durch gelebte Werte gestärkt wird. Auch wenn das Gericht juristisch korrekt handelte, bleibt die gesellschaftliche Debatte notwendig. Denn Sprache formt Haltung – und Haltung ist die Grundlage jedes öffentlichen Dienstes.

Der Fall erinnert daran, dass rechtliche Urteile und moralische Erwartungen nicht immer deckungsgleich sind. Doch beide müssen sich ergänzen, wenn Institutionen wie die Polizei das Vertrauen der Bevölkerung langfristig erhalten wollen. Nicht nur die Frage, ob der Beamte bleiben durfte, ist entscheidend, sondern auch, was die Polizei daraus lernt.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.