
Magdeburg – Mit Beginn des neuen Schuljahres 2025/26 hat das Land Sachsen-Anhalt eine tiefgreifende Änderung im Schulgesetz umgesetzt. Schulen dürfen nun Schülerinnen und Schüler bei schwerem Fehlverhalten für deutlich längere Zeit vom Unterricht ausschließen. Während die Landesregierung dies als notwendige Maßnahme gegen Gewalt und massive Störungen verteidigt, schlagen Elternvertreter Alarm. Sie fürchten soziale Isolation, Lernrückstände und langfristige Folgen für die Betroffenen. Das Thema sorgt für hitzige Debatten und spaltet Eltern, Lehrkräfte und Bildungspolitiker gleichermaßen.
Schulgesetz-Novelle: Verweise können deutlich länger dauern
Mit der im Juni 2025 beschlossenen Novelle des Schulgesetzes in Sachsen-Anhalt wurde der Zeitraum für mögliche Schulverweise massiv ausgeweitet. Bislang lag die Obergrenze für einen Schulverweis in der Regel bei fünf Unterrichtstagen. Künftig sind bis zu zwanzig Tage möglich, in besonders gravierenden Fällen wird sogar von Ausschlüssen von bis zu drei Monaten gesprochen. Befürworter argumentieren, dass Schulen damit ein schärferes Werkzeug an die Hand bekommen, um bei schweren Störungen wie Gewaltvorfällen, Mobbing oder Bedrohungen konsequent zu reagieren.
Kritik der Eltern: „Hochproblematisch“
Landeselternvertreter haben die Änderungen scharf kritisiert. In Stellungnahmen heißt es, die Ausweitung sei „hochproblematisch“. Sie verweisen darauf, dass Schüler durch lange Schulverweise schnell den Anschluss verlieren könnten. Schon wenige Wochen fern vom Unterricht führten in vielen Fällen zu deutlichen Lerndefiziten. Ein Elternsprecher formulierte es so: Wenn mein Kind dann nur zu Hause sitzt und den Anschluss verliert – das macht mich wirklich wütend.
Damit wird die Sorge greifbar, dass aus pädagogisch beabsichtigten Maßnahmen letztlich ein Nachteil für die Kinder entsteht.
Die Frage nach der Dauer: Wie lange dürfen Schulverweise in Sachsen-Anhalt maximal dauern?
Viele Eltern stellen sich derzeit die Frage, wie lange Schulverweise in Sachsen-Anhalt tatsächlich ausgesprochen werden dürfen. Fakt ist: Seit der Novelle sind Ausschlüsse von bis zu 20 Unterrichtstagen offiziell möglich. In politischen Diskussionen wurde sogar die Rede von bis zu drei Monaten Ausschluss, was auf breite Kritik gestoßen ist. Das Bildungsministerium rechtfertigt die Regelung mit dem Hinweis, dass Schulen und Behörden durch die Verlängerung mehr Zeit hätten, Lösungen für die Konflikte zu finden.
Experten warnen vor Teufelskreis
Fachleute aus dem Bereich Gewaltprävention sehen die Ausweitung der Verweise kritisch. Sie warnen vor einem „Teufelskreis“. Längere Ausschlüsse könnten die Bindung zur Schule erheblich schwächen. Statt die betroffenen Kinder und Jugendlichen zurück in die Gemeinschaft zu führen, drohe eine Entfremdung vom Schulleben. Studien zum Thema Schulabsentismus belegen, dass häufiges oder langanhaltendes Fehlen ein entscheidender Risikofaktor für Schulabbrüche ist. Sachsen-Anhalt ist in diesem Bereich besonders betroffen: Mit über elf Prozent liegt die Quote der Schulabbrecher im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch.
Schulabbrüche und Absentismus: Ein wachsendes Problem
Die Zahlen verdeutlichen die Brisanz. Im Schuljahr 2021/22 verließen 11,6 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt die Schule ohne Hauptschulabschluss. Damit belegt das Bundesland seit Jahren einen der letzten Plätze im Ländervergleich. Experten machen dafür unter anderem fehlende Prävention und unzureichende Unterstützung bei Schulabsentismus verantwortlich. Wer längere Zeit aus dem Unterricht ausgeschlossen ist, läuft Gefahr, dauerhaft den Anschluss zu verlieren – mit gravierenden Folgen für die Bildungslaufbahn.
Statistische Übersicht zu Schulabbrüchen in Sachsen-Anhalt
Schuljahr | Abgänger ohne Hauptschulabschluss | Quote |
---|---|---|
2019/20 | ca. 10 % | Bundesweit höchste Quote |
2021/22 | 17.826 Schüler insgesamt / davon 11,6 % ohne Abschluss | 11,6 % |
Was sagen Eltern in den sozialen Medien?
In sozialen Netzwerken wie Facebook machen Eltern ihrer Empörung Luft. Viele schildern Ängste vor sozialer Ausgrenzung: Kinder, die wochenlang vom Unterricht ausgeschlossen sind, verlieren Freundschaften und soziale Kontakte. Ein Vater formulierte es in einer Gruppe so: Längere Verweise helfen nicht, sie bestrafen doppelt – mein Kind verpasst Unterricht und verliert auch noch seine Freunde.
Solche Stimmen verdeutlichen, dass die Debatte längst über den reinen Gesetzestext hinausgeht und Eltern unmittelbar bewegt.
Welche Kritik äußern Eltern in Sachsen-Anhalt zu längeren Schulverweisen?
Neben der Angst vor sozialer Isolation betonen Eltern, dass lange Verweise Lernrückstände massiv vergrößern können. Für Kinder mit ohnehin schwacher schulischer Bindung sei dies fatal. Eltern sehen deshalb die Gefahr, dass die Maßnahme pädagogisch ins Leere läuft. Statt Integration entstehe Abkopplung, statt Förderung eher der Verlust von Perspektiven. Diese Haltung zieht sich durch viele Elternstimmen, die öffentlich oder in Foren ihre Sorgen schildern.
Lehrerperspektive: Schwierige Balance zwischen Disziplin und Pädagogik
Auch Lehrkräfte nehmen Stellung, wenn auch differenzierter. Im „Deutschen Schulbarometer 2024“ gaben viele Lehrerinnen und Lehrer an, dass sie besonders mit problematischem Schülerverhalten und der Heterogenität in den Klassen zu kämpfen haben. Für sie bedeutet jeder Konflikt eine zusätzliche Belastung im Schulalltag. Längere Verweise könnten kurzfristig Ruhe in den Klassen sichern, langfristig jedoch das Problem nicht lösen. Die Balance zwischen Disziplinarmaßnahmen und pädagogischer Förderung bleibt damit eine zentrale Herausforderung.
Warum will Sachsen-Anhalt Schulverweise verlängern?
Das Bildungsministerium verteidigt die Reform. Ziel sei es, Schulen und Behörden mehr Zeit für die Aufarbeitung schwerer Vorfälle zu geben. Wenn etwa Gewalt oder massives Mobbing vorliegen, sollen längere Verweise den Handlungsspielraum erweitern, um parallel pädagogische Maßnahmen einzuleiten. Die Kritik, dass dies zu Abkopplung führe, weist das Ministerium zurück. Vielmehr gehe es darum, Kindern und Jugendlichen mit problematischem Verhalten Grenzen aufzuzeigen und die Schulen zu schützen.
Alternative Ansätze: Inklusion und Prävention
Experten aus der Bildungsforschung verweisen auf alternative Möglichkeiten. In Sachsen-Anhalt gibt es beispielsweise flexible Ansätze im Bereich sonderpädagogischer Förderung, die auch ohne formell festgestellten Förderbedarf eingesetzt werden können. Diese könnten genutzt werden, um Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig aufzufangen. Anstatt auf lange Ausschlüsse zu setzen, könnten präventive Fördermaßnahmen dazu beitragen, Integration zu sichern und Fehlentwicklungen vorzubeugen.
Was sagen Studien zu den langfristigen Folgen?
Längsschnittstudien wie das Nationale Bildungspanel (NEPS) zeigen, dass frühe schulische Maßnahmen weitreichende Folgen für Bildungswege haben können. Wer den Anschluss verliert, läuft Gefahr, dauerhaft schlechtere Chancen in Ausbildung und Beruf zu haben. Damit ist klar: Jede Entscheidung über Schulverweise muss auch im Hinblick auf die langfristige Entwicklung der betroffenen Kinder betrachtet werden. Ein längerer Ausschluss ist nicht nur eine temporäre Disziplinarmaßnahme, sondern potenziell ein Einschnitt in die gesamte Bildungsbiografie.
Eltern fragen: Was sagen Experten zur Ausweitung der Schulverweisdauer auf drei Monate?
Experten sehen darin eine drastische Maßnahme. Drei Monate Abwesenheit vom Unterricht bedeutet einen Verlust ganzer Lerninhalte. Selbst mit Nachhilfe oder häuslichem Lernen lassen sich diese Defizite kaum vollständig aufholen. Der Vorwurf lautet, dass die Politik hier eher auf Disziplin als auf Pädagogik setzt. Ein Experte für Gewaltprävention fasste es zusammen: Es beginnt ein Teufelskreis – der Ausschluss schwächt die Bindung, die Kinder geraten ins Abseits, und das Risiko für Schulabbruch steigt.
Abwägung zwischen Strafe und Integration
Die Diskussion macht deutlich: Es geht um eine schwierige Abwägung. Einerseits brauchen Schulen Instrumente, um auf schweres Fehlverhalten zu reagieren. Andererseits darf eine Maßnahme nicht die Chancen von Kindern langfristig zerstören. In Sachsen-Anhalt stellt sich die Frage, ob längere Verweise wirklich den erhofften Lerneffekt haben – oder ob sie nicht vielmehr zu einer Verschärfung der Probleme beitragen.
Die Debatte um längere Schulverweise in Sachsen-Anhalt zeigt, wie komplex das Spannungsfeld zwischen Disziplin, Pädagogik und sozialer Verantwortung ist. Während die Landesregierung auf konsequentes Durchgreifen setzt, sehen Eltern, Experten und viele Lehrkräfte die Risiken. Hohe Schulabbrecherquoten, wachsende Sorgen um soziale Ausgrenzung und die Gefahr der Entfremdung von der Schule werfen die Frage auf, ob längere Ausschlüsse tatsächlich der richtige Weg sind. Klar ist: Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Reform den erhofften Effekt bringt – oder ob Sachsen-Anhalt damit ein Problem verschärft, das es eigentlich lösen wollte.