Oberharz

Fußgängersicherheit: Der erster Safety Walk in Nordhausen

Nordhausen im Harz

Nordhausen geht neue Wege in Sachen Fußgängersicherheit: Mit dem ersten „Safety Walk“ der Stadt wurde ein partizipativer Prozess angestoßen, bei dem Kinder, Jugendliche, Verwaltung und Stadtspitze gemeinsam neuralgische Punkte im öffentlichen Raum unter die Lupe nahmen. Ziel: Gefahrenquellen identifizieren, Dialog fördern und die Stadt lebenswerter und sicherer machen – insbesondere für die jüngsten Verkehrsteilnehmer.

Ein Stadtspaziergang mit großer Wirkung

Der Safety Walk fand im Rahmen des Aktionsprogramms „Kinderfreundliche Kommune“ statt. Fünf verschiedene Routen durch Nordhausen wurden von Kinder- und Jugendgruppen, teils begleitet von Lehrerinnen und pädagogischen Fachkräften, systematisch abgelaufen. Mit im Gepäck: Fragebögen, Notizblätter, Handys für Fotos – und viele offene Augen.

Im Fokus standen dabei klassische Schwachstellen im Straßenbild:

  • fehlende oder unübersichtliche Zebrastreifen,
  • ungenügend beleuchtete Gehwege,
  • ungesicherte Schulwege,
  • marode Gehwegränder und Stolperfallen.

Begleitet wurden die Gruppen auch von Vertretern der Stadtverwaltung, dem Oberbürgermeister sowie Fachleuten aus dem Bereich Stadtentwicklung und Verkehr. Die Idee: Erkenntnisse nicht nur sammeln, sondern direkt in einen konstruktiven Austausch überführbar machen.

Rathausgespräch als Schlüsselmoment

Am 16. Juni 2025 wurden die Ergebnisse im Ratssaal des Bürgerhauses präsentiert. Kinder und Jugendliche berichteten über ihre Eindrücke, zeigten Fotos und diskutierten mögliche Verbesserungen. Die Verwaltung hörte nicht nur zu, sondern brachte sich aktiv mit Fragen und Lösungsansätzen ein.

„Wir haben erlebt, dass es auf dem Schulweg gefährlich wird, wenn parkende Autos den Blick versperren. Manchmal steht man fast auf der Straße, bevor man überhaupt sieht, ob ein Auto kommt“.

Diese Art von Erfahrungswissen ist für Planer und Entscheidungsträger besonders wertvoll – denn sie offenbart Aspekte, die in technischen Verkehrsanalysen leicht untergehen.

Kennst du das schon?  Italienische Klänge in Beneckenstein: Wreckmeister begeistert in der Laurentiuskirche

Fußgängersicherheit in Zahlen

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen für Thüringen zeigt: Die Relevanz des Themas ist ungebrochen. Laut Verkehrsstatistik 2024 gab es:

Kategorie Anzahl (2024) Veränderung zum Vorjahr
Unfälle mit Personenschaden 5.936 +6,2 %
Fußgängerunfälle 629 -0,5 %
Getötete Fußgänger 9 -18,2 %
Schulwegunfälle 45 -11,8 %

Diese Zahlen deuten zwar auf eine gewisse Verbesserung hin – doch jeder einzelne Unfall ist einer zu viel. Gerade für Kinder bleiben viele Wege unsicher, weil der Straßenraum historisch oft nicht aus der Perspektive junger Fußgänger gedacht wurde.

Internationale Perspektiven und innovative Ansätze

Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt, dass Fußgängersicherheit längst global diskutiert wird. Erfolgsmodelle wie das britische „PERS-Tool“ (Pedestrian Environment Review System) oder die „Walking Audits“ aus den USA machen deutlich, wie man strukturiert und nachvollziehbar Verbesserungsprozesse aufsetzen kann. Hierbei werden Fußwege systematisch bewertet, Ampelschaltungen analysiert und Gehwegqualität dokumentiert – oft unter Einbindung der Zivilgesellschaft.

Ein weiteres Konzept ist der „Walking School Bus“, bei dem Kinder morgens und mittags in Gruppen auf festen Routen zur Schule begleitet werden – zu Fuß, mit Erwachsenen an ihrer Seite. Studien zeigen, dass dies nicht nur die Sicherheit erhöht, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl stärkt und Kinder zu mehr Bewegung motiviert.

Pro & Contra: Symbolik oder echte Veränderung?

Wie bei vielen partizipativen Maßnahmen steht auch beim Safety Walk in Nordhausen die Frage im Raum: Bringt das langfristig etwas?

Argumente für den Safety Walk

  • Hoher Bildungswert: Kinder lernen, ihre Umgebung kritisch zu analysieren.
  • Authentische Perspektiven: Wahrnehmungen junger Menschen sind unmittelbar und alltagsnah.
  • Direkte Verbindung zwischen Bürgerschaft und Verwaltung.

Kritische Stimmen

  • Gefahr der Symbolpolitik: Ohne konkrete Umsetzung bleiben die Ergebnisse folgenlos.
  • Fehlende Evaluation: Ob Maßnahmen wirken, wird selten überprüft.
  • Barrierefreiheit wird oft nicht ausreichend berücksichtigt.
Kennst du das schon?  Wiederaufbau startet: Clausthaler Marktkirche erstrahlt bald in neuem Glanz

Insbesondere der Aspekt der Inklusion stellt sich bei veränderten Straßenraumkonzepten wie „Shared Spaces“: Sie können zwar zu weniger Unfällen führen, stellen aber für blinde oder ältere Menschen ein Risiko dar, wenn optische oder haptische Orientierungshilfen fehlen.

Empfohlene Maßnahmen für Nordhausen

Auf Grundlage der Beobachtungen aus dem Safety Walk und internationaler Best Practices könnten folgende Schritte in Nordhausen sinnvoll sein:

  1. Einführung eines strukturierten Bewertungsinstruments wie PERS oder eines lokalen Fußgänger-Audits.
  2. Sofortmaßnahmen umsetzen: Beleuchtung optimieren, Sichtachsen freihalten, Bordsteine absenken.
  3. Temporäre Tests („Pop-up-Zebrastreifen“, Einbahnregelungen) mit anschließender Evaluation.
  4. Verknüpfung mit Schulverkehrserziehung und Öffentlichkeitskampagnen.
  5. Einbindung von Behinderten- und Seniorenverbänden bei künftigen Planungen.

Der Weg in die Umsetzung

Die Stadtverwaltung Nordhausen hat angekündigt, die gesammelten Hinweise zu priorisieren und bereits erste Anpassungen in bestimmten Straßenabschnitten zu prüfen. Auch Mittel aus Städtebauförderprogrammen oder Verkehrsinitiativen des Landes könnten zur Finanzierung beitragen.

Ein wichtiger nächster Schritt wird sein, die umgesetzten Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirkung zu überprüfen. Dazu könnten gezielte Beobachtungen, Umfragen unter den Schülern oder Unfallauswertungen herangezogen werden. Nur wenn eine dauerhafte Rückkopplung zwischen Wahrnehmung, Entscheidung und Ergebnis stattfindet, wird aus einem ersten Walk ein nachhaltiger Wandel.

Mehr als ein Spaziergang

Der erste Safety Walk in Nordhausen war weit mehr als ein symbolischer Akt. Er hat ein Problembewusstsein geschaffen, Dialog angestoßen und konkrete Schwachstellen im Stadtraum sichtbar gemacht. Entscheidend wird nun sein, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen – und zwar gemeinsam mit den Menschen, die täglich auf Nordhausens Straßen unterwegs sind.

Wenn Nordhausen diesen partizipativen Ansatz weiterverfolgt und mit konkreten Verbesserungen kombiniert, könnte die Stadt nicht nur sicherer, sondern auch lebenswerter für alle werden – von der Grundschülerin bis zum Senior mit Rollator.

Kennst du das schon?  Torfhaus: Sauna-Brand im Vereinsheim löst Schock im Oberharz aus
Weiteres aus der Rubrik
Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.