
Verbrannte Kabel nahe einer Bahnstrecke in Sachsen-Anhalt (exemplarisch dargestellt) deuten auf vorsätzliche Brandlegung hin. Die Schäden blieben lokal begrenzt. (Symbolbild – exemplarisch)
Hohenmölsen – Ein neuer Fall von Brandstiftung an der Bahn-Infrastruktur beschäftigt aktuell die Behörden. Auf einer Güterstrecke bei Webau im Burgenlandkreis kam es am Freitagabend zu einem Kabelbrand. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen, da ein Zusammenhang mit kürzlichen Anschlägen in Nordrhein-Westfalen nicht ausgeschlossen wird.
Erneuter Vorfall – Verdacht auf vorsätzliche Sabotage
Am Abend des 2. August meldete ein Techniker der Deutschen Bahn Unregelmäßigkeiten auf einer nicht elektrifizierten Bahnstrecke bei Webau, einem Ortsteil von Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt. Vor Ort stellte sich heraus: Ein Brand hatte wichtige Daten- und Stromkabel beschädigt. Die Ermittler gehen nach ersten Erkenntnissen von vorsätzlicher Brandlegung aus. Betroffen war ein Streckenabschnitt, der für Gütertransporte, insbesondere Kohleverkehr, genutzt wird – der Personenverkehr war nicht betroffen.
Die beschädigte Fläche wird auf rund 100 × 40 Zentimeter geschätzt. Techniker konnten nach Abschluss der polizeilichen Spurensicherung die Schrankenanlage provisorisch wiederherstellen. Die vollständige Instandsetzung ist laut Bahnangaben bis spätestens Montag geplant.
Warum ermittelt der Staatsschutz?
Anders als bei alltäglichen Straftaten wie Diebstahl oder Sachbeschädigung übernimmt bei mutmaßlich politisch motivierten oder sicherheitsrelevanten Vorfällen der Staatsschutz die Ermittlungen. Auch in diesem Fall liegen Anhaltspunkte vor, die auf eine vorsätzliche Tat mit möglicherweise politischem Hintergrund hindeuten.
Insbesondere der enge zeitliche Zusammenhang mit zwei Anschlägen auf Bahn-Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen weckt bei den Behörden Verdacht. Dort waren Steuerungskabel an stark frequentierten Fernverkehrsstrecken in Brand gesetzt worden. Tausende Reisende und unzählige Züge waren betroffen. Innenminister Herbert Reul sprach von einer „gezielten Sabotage“. Der Verdacht fiel früh auf linksextremistische Gruppen – auf der Plattform Indymedia tauchte wenig später ein Bekennerschreiben einer Gruppe namens „Kommando Angry Birds“ auf.
Ob zwischen den Taten in NRW und dem Kabelbrand bei Webau ein Zusammenhang besteht, ist bislang unklar. Die Ermittlungen hierzu dauern an. Der Staatsschutz sammelt derzeit Beweise und prüft, ob ähnliche Methoden oder verwendete Materialien erkennbar sind.
Wie gefährlich ist ein Kabelbrand an einer Bahnstrecke?
Diese Frage stellen sich viele Bahnreisende nach den Vorfällen der vergangenen Wochen. Im Fall von Webau kann Entwarnung gegeben werden: Die Strecke ist nicht elektrifiziert, das heißt, sie wird nicht von Hochspannungsleitungen gespeist. Der Brand betraf ausschließlich Daten- und Stromleitungen, die vor allem für Signal- und Schrankenanlagen benötigt werden. Der Personenverkehr war zu keiner Zeit gefährdet. Die betroffene Strecke dient primär dem Gütertransport, etwa von Braunkohle.
Anders sah es hingegen in NRW aus: Dort führten die Brände zu massiven Einschränkungen im Fernverkehr – insbesondere auf der Hauptstrecke zwischen Düsseldorf und Duisburg. Hier war das Risiko deutlich größer, da neben dem Personenverkehr auch zentrale Kommunikationseinrichtungen der Bahn betroffen waren.
Chronologie der Bahnanschläge 2022–2025
Der aktuelle Vorfall reiht sich in eine ganze Serie von Angriffen auf Bahn-Infrastruktur ein, die seit 2022 für Schlagzeilen sorgen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die bekanntesten Sabotageakte der letzten Jahre:
Jahr | Ort | Ziel | Auswirkungen | Vermutetes Motiv |
---|---|---|---|---|
2022 | Norddeutschland (Herne/Berlin) | GSM-R-Kommunikationsnetz | Kompletter Zugstopp im Norden | Später als Kupferdiebstahl eingestuft |
2024 | Berlin-Charlottenburg | Signaltechnik | Störungen im S-Bahn-Verkehr | Unbekannt |
2025 | NRW (Düsseldorf–Duisburg) | Steuerungskabel | Fernverkehr unterbrochen | Vermutlich linksextremistisch |
2025 | Webau (Sachsen-Anhalt) | Daten- und Stromkabel | Güterverkehr betroffen | Noch unklar |
Sicherheitslage der Bahn-Infrastruktur
Die Deutsche Bahn investiert seit Jahren Millionenbeträge in die Absicherung ihrer Netze. Laut interner Angaben wurden bereits bis 2022 jährlich etwa 180 Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben. Dazu gehören rund 9.000 Überwachungskameras in Bahnhöfen und mehr als 45.000 in Zügen. Trotzdem zeigen wiederkehrende Vorfälle wie in Webau oder NRW, dass die Bahn ein bevorzugtes Ziel für Sabotageakte bleibt.
Eine Ursache dafür ist die teilweise ungeschützte Lage vieler Technikbereiche. Abgelegene Streckenabschnitte mit schlechter Sichtbarkeit und wenig Publikumsverkehr sind ideale Angriffsziele – und zugleich schwer rund um die Uhr zu überwachen.
Welche Schäden verursachte der Anschlag bei Webau genau?
Der Brand beschädigte eine Fläche von etwa einem Quadratmeter. In Brand gesetzt wurden Kabel, die für die Kommunikation zwischen Zug und Infrastruktur sowie für Schrankenanlagen zuständig sind. Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr konnte Schlimmeres verhindert werden. Der Zugverkehr war nicht beeinträchtigt – die Strecke war ohnehin nur für Güterverkehr vorgesehen. Die betroffenen Schranken wurden vorläufig repariert, eine endgültige Instandsetzung soll bis Montag erfolgen.
Welche Rolle spielen politische Motive bei solchen Anschlägen?
In den letzten Jahren haben sich die Hinweise auf politische Motive bei Bahnanschlägen verdichtet. Besonders der linksextreme Bereich wird regelmäßig in Verbindung mit Sabotageakten gebracht. Auch beim Anschlag in NRW wurden entsprechende Bekennerschreiben veröffentlicht. Eine Gruppe namens „Kommando Angry Birds“ begründete den Anschlag als Protest gegen Kapitalismus und fossile Logistik – das Schreiben wird aktuell auf Echtheit geprüft.
Für den Fall in Sachsen-Anhalt liegt bisher kein öffentlich bekanntes Schreiben vor. Die Ermittler schließen jedoch nicht aus, dass es sich um eine Nachahmungstat oder um eine koordiniert angelegte Serie handeln könnte. Ob die gleiche Gruppierung verantwortlich ist, bleibt offen.
Wie häufig kommt es zu solchen Angriffen in Deutschland?
Sabotageakte auf Bahnstrecken sind kein alltägliches Phänomen, treten aber in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf. Besonders seit 2022 sind vermehrt Angriffe dokumentiert worden, die über bloßen Vandalismus hinausgehen. Die Bahn-Infrastruktur gilt deshalb als „kritische Infrastruktur“, deren Schutz auch Aufgabe des Staates ist.
Die Häufigkeit solcher Vorfälle nimmt in der öffentlichen Wahrnehmung dennoch zu – auch wenn Experten betonen, dass es sich meist um punktuelle Einzelfälle handelt. Dennoch zeigt die aktuelle Häufung eine neue Qualität, die die Sicherheitsbehörden auf den Plan ruft.
Was wird jetzt unternommen?
Die Deutsche Bahn hat angekündigt, ihre Sicherheitsstrategie noch einmal zu überprüfen. Besonders auf wenig befahrenen Strecken sollen künftig Sensoren und Kameras zum Einsatz kommen, um unbefugte Zugänge zu melden. Auch die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei wurde verstärkt. In den kommenden Wochen wird ein neues Lagezentrum in Betrieb genommen, das gezielt sicherheitsrelevante Meldungen analysieren und priorisieren soll.
„Wir nehmen jeden Vorfall sehr ernst und arbeiten eng mit den Behörden zusammen, um die Täter zu identifizieren und zukünftige Angriffe zu verhindern“, sagte ein Bahnsprecher am Wochenende.
Abschlussgedanken: Eine neue Dimension der Bedrohung?
Der Kabelbrand bei Webau mag auf den ersten Blick ein lokales Ereignis mit begrenzten Folgen gewesen sein. Doch im Kontext zunehmender Angriffe auf die Bahn-Infrastruktur ist auch dieser Vorfall mehr als nur eine Randnotiz. Der Staatsschutz ermittelt mit Nachdruck – und versucht herauszufinden, ob hier ein neues Kapitel der Sabotagestrategien beginnt.
Für die Bahn bedeutet das: Nicht nur zentrale Knotenpunkte, sondern auch abgelegene Strecken brauchen stärkeren Schutz. Die Öffentlichkeit wiederum fragt sich, wie sicher das Reisen auf der Schiene künftig sein kann – und welche Antworten Politik und Bahn darauf geben werden.