Wernigerode

Harzer Schmalspurbahnen zwischen Rekorden und Reformdruck: Was hinter dem Boom steckt

Wernigerode – Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) verzeichnen neue Höchststände bei Fahrgastzahlen und Einnahmen. Doch hinter den dampfenden Lokomotiven und dem touristischen Glanz zeigen sich strukturelle Probleme, die tiefer liegen und eine umfassende Neuorientierung verlangen.

Touristischer Magnet mit Dampf: Neue Rekordzahlen 2024

Die Harzer Schmalspurbahnen erleben einen Boom. Im Jahr 2024 wurden rund 1,14 Millionen Fahrgäste gezählt – ein Anstieg um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch der Umsatz kletterte auf einen neuen Höchstwert von etwa 15,5 Millionen Euro. Insbesondere die Brockenbahn war mit über einer halben Million Passagieren erneut das Zugpferd des Unternehmens.

Doch diese Erfolgszahlen täuschen nicht über die Herausforderungen hinweg, mit denen das traditionsreiche Unternehmen zu kämpfen hat. Zwar steigen Einnahmen, doch ebenso wachsen Betriebskosten, Personalaufwand und Anforderungen an den Umwelt- und Brandschutz. Die HSB steht vor einer wirtschaftlichen und ökologischen Neuausrichtung – mit offenen Fragen und politischem Druck.

Preismodell mit Grenzen: Einheitstarif und Kritik

Ein Thema, das in sozialen Netzwerken und Foren regelmäßig zur Sprache kommt, ist die Preisgestaltung. So fragen sich viele Gäste: „Wie viel kostet eine Fahrt mit der Brockenbahn?“ Die Antwort fällt einheitlich aus: Eine einfache Fahrt zum Brocken kostet rund 38 Euro, ein Hin- und Rückticket etwa 57 Euro. Für Kinder liegen die Preise etwas darunter, Kleinkinder reisen kostenlos.

Was zunächst übersichtlich wirkt, hat jedoch einen Haken. Die Fahrpreise zur Brockenspitze bleiben unabhängig vom Startbahnhof gleich, was zu Irritationen führt. „Warum ist der Fahrpreis zur Brockenspitze immer gleich, egal von welcher Station man losfährt?“ Die HSB verfolgt damit eine Tarifstrategie, die sowohl Einnahmen sichert als auch Besucherströme gleichmäßiger verteilen soll. Dennoch bleibt Kritik nicht aus – etwa daran, dass eine kurze Fahrt zur Hälfte des Preises einer langen Etappe zu Buche schlägt.

Unübersichtliche Informationen und eingeschränkter Komfort

Ein weiterer Punkt, der von Gästen bemängelt wird, ist die mangelnde Transparenz bei Tarifen für Teilstrecken. In Foren berichten Nutzer, dass kleinere Routen – etwa nach Steinerne Renne – überraschend hohe Preise aufrufen und diese kaum nachvollziehbar sind.

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Auch die Ausstattung sorgt gelegentlich für Diskussionen. Auf die Frage „Sind auf der Brockenbahn Toiletten vorhanden?“ antworten erfahrene Reisende mit einem vorsichtigen „ja“. Es gibt Toiletten, allerdings nicht in allen Waggons. Wer auf diesen Komfort angewiesen ist, sollte sich vor dem Einstieg gezielt informieren oder frühzeitig einen passenden Platz sichern.

Hohe Kosten trotz Erfolg: Die wirtschaftliche Schieflage

So erfolgreich die HSB bei Fahrgästen ist, so angespannt ist ihre wirtschaftliche Lage. Allein im Jahr 2024 wird mit einem Defizit von über 5,6 Millionen Euro gerechnet – trotz Einnahmerekorden. Gründe dafür liegen im starken Anstieg der Energie- und Instandhaltungskosten sowie in gestiegenen Lohnkosten für das Fachpersonal. Auch notwendige Modernisierungen der Infrastruktur schlagen deutlich zu Buche.

Der Kostendruck hat dazu geführt, dass Land und Kommunen ihre Zuschüsse deutlich aufgestockt haben. Doch die finanzielle Unterstützung ist an Bedingungen geknüpft. Die HSB muss ihre Strukturen überdenken, Fahrpläne optimieren und in effizientere Technologien investieren.

Fahrzeugflotte zwischen Nostalgie und Notwendigkeit

Aktuell betreibt die HSB ein Netz von rund 140 Kilometern Länge, verteilt auf drei Strecken. Die Flotte umfasst 31 Lokomotiven, von denen etwa die Hälfte betriebsfähig ist. Dazu kommen zehn Triebwagen – unter anderem moderne Zweikraftfahrzeuge, die auf nicht elektrifizierten Abschnitten besonders flexibel einsetzbar sind.

Mit dem Bau einer neuen Dampflokwerkstatt in Wernigerode wurde 2024 ein weiterer Meilenstein erreicht. Die Werkstatt bietet nicht nur Raum für Wartung und Reparatur, sondern soll durch ein Besucherzentrum auch touristisch genutzt werden – ein Schritt hin zu mehr Transparenz und Besucherbindung.

Ökologischer Umbau unter politischem Druck

Ein zentrales Thema für die Zukunft der HSB ist der Umstieg auf alternative Antriebstechnologien. Angesichts des zunehmenden Umweltbewusstseins und gesetzlicher Vorgaben gerät der traditionelle Dampfbetrieb unter Druck. Insbesondere im Sommer – bei Waldbrandwarnstufe 4 oder höher – wird auf Dieselloks umgestellt. Dies geschieht nicht freiwillig, sondern als notwendige Schutzmaßnahme, um Brände wie am Brocken 2022 zu vermeiden.

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Landrat Thomas Balcerowski hat sich daher öffentlich für eine „Dekarbonisierung“ der HSB stark gemacht. Pflanzenöl, synthetische Kraftstoffe oder sogar wasserstoffbasierte Lösungen sind im Gespräch. Doch die Umstellung erfordert nicht nur politische Unterstützung, sondern auch massive Investitionen.

Entwicklungsperspektiven: Brocken ja – aber was ist mit dem Rest?

Ein Kritikpunkt, der in Foren häufig auftaucht, betrifft die Fokussierung auf die Brockenbahn. Ein Nutzer kommentiert: „Die Perspektive der HSB hängt nicht nur vom Brockenpublikum ab… zu wenig Menschen woanders hin und woanders zu wenig angeboten.“ Tatsächlich konzentrieren sich sowohl Marketing als auch Fahrpläne stark auf die Tourismusmagneten rund um den Brocken.

Dabei bieten Nebenstrecken wie Eisfelder Talmühle – Wernigerode eindrucksvolle Naturerlebnisse. Reisende berichten begeistert von der landschaftlichen Vielfalt dieser Abschnitte, die „wirklich mitten durch den Harz“ führen. Die HSB könnte hier durch gezielte Angebote, Kombitickets oder thematische Fahrten neue Besuchergruppen erschließen.

Streckenplanung und Infrastruktur im Wandel

Zur Diskussion steht auch die Netzerweiterung. Eine Machbarkeitsstudie untersucht derzeit die Anbindung von Braunlage an das bestehende Schienennetz. Auch die Erschließung touristischer Ziele wie Pullman City Harz wird vereinzelt angedacht. Gleichzeitig müssen bestehende Linien regelmäßig modernisiert werden. So ist die Strecke Gernrode–Quedlinburg bis August 2025 wegen Gleisbauarbeiten gesperrt – mit Busersatzverkehr.

Wie oft fahren Dampfloks im Winter auf der Brockenbahn?

Diese Frage beschäftigt vor allem Wintergäste. Die Antwort lautet: Auch im Winter fahren regulär Dampflokomotiven. Bei entsprechender Schneelage und guten Wetterbedingungen ist das Erlebnis besonders eindrucksvoll. Allerdings wird bei erhöhter Waldbrandgefahr (auch im Winter zunehmend ein Thema) auf Dieselbetrieb umgestellt.

Erlebnis Dampflok: Zwischen Nostalgie und Alltag

Was die HSB so einzigartig macht, ist ihre Authentizität. Nirgendwo sonst in Deutschland verkehren so regelmäßig dampfbetriebene Züge im Alltag. Auf internationalen Plattformen wie Reddit wird die Brockenbahn als „echte Dampferfahrung“ gelobt und internationalen Reisenden empfohlen. „Was sind die landschaftlich schönsten Zugstrecken in Deutschland?“ – die HSB gehört laut vielen Antworten definitiv dazu.

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Doch diese Nostalgie hat ihren Preis. Die Instandhaltung der Dampflokflotte ist aufwendig, die Schulung von Personal anspruchsvoll. Um das Erlebnis auch in Zukunft zu sichern, muss die HSB Wege finden, Tradition und Moderne zu vereinen – ohne sich wirtschaftlich zu verausgaben.

Was Fahrgäste erwarten – und was die HSB liefern muss

Ein oft genannter Wunsch der Fahrgäste: mehr Transparenz bei Fahrplänen, bessere Preis-Leistungs-Verhältnisse bei Sonderangeboten und mehr Klarheit bei Mitnahmebedingungen. „Darf ich Hunde in den Zügen der Harzer Schmalspurbahnen mitnehmen?“ – Ja, Hunde sind grundsätzlich erlaubt, meist gegen kleines Entgelt oder vorherige Anmeldung. Dennoch fehlen klare Hinweise auf der Webseite und in der Kommunikation vor Ort.

Die HSB muss sich künftig nicht nur als Verkehrsträger, sondern als kundenorientiertes Erlebnisunternehmen positionieren. Dazu gehören digitale Buchungssysteme, transparente Tarifmodelle und gezielte Services für spezielle Zielgruppen – etwa Familien, Senioren oder ausländische Gäste.

Zwischen Dampf, Druck und Perspektiven

Die Harzer Schmalspurbahnen sind mehr als ein nostalgisches Relikt – sie sind Teil des Alltags, des Tourismus und des kulturellen Erbes der Region. Doch ihr Erfolg im Fahrgastbereich reicht nicht aus, um die strukturellen Herausforderungen zu bewältigen. Nur mit einer klaren Strategie, moderner Infrastruktur, flexiblen Angeboten und nachhaltigen Antriebslösungen wird es gelingen, dieses historische Verkehrsmittel zukunftsfähig zu machen.

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein: Zwischen Klimadruck, Tourismusboom und Finanzierungsfragen steht die HSB sinnbildlich für die Transformation traditioneller Mobilitätskonzepte im ländlichen Raum.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.