Wernigerode

Ein Teil der Geschichte geht verloren Abriss der Storchmühle in Wernigerode: Der Grund

Wernigerode, 6. November 2025 – Die kühle Herbstluft liegt über dem Stadtteil Nöschenrode, wo sich hinter dichtem Gestrüpp die letzten Reste der alten Storchmühle verstecken. Zwischen eingestürzten Balken, Graffiti und morschem Fachwerk hallen leise Erinnerungen an frühere Zeiten – an Tanzabende, Familienfeiern, Ausflüge. Doch nun steht fest: Das einst so beliebte Ausflugslokal wird abgerissen. Eine Entscheidung, die viele Wernigeröder bewegt.

Ein Wahrzeichen verfällt – und verschwindet

Die Storchmühle in Wernigerode war jahrzehntelang ein fester Bestandteil der Freizeitkultur im Harz. Das historische Ensemble, ursprünglich als Mühle errichtet und später zur Gaststätte umgebaut, galt über viele Jahrzehnte als beliebtes Ausflugsziel. Doch die Zeit ging nicht spurlos an ihr vorbei: Nach der Schließung vor mehr als dreißig Jahren begann ein langsamer Verfall, der heute unübersehbar ist.

Fenster sind eingeschlagen, Wände überzogen von Graffiti, das Dach teilweise eingestürzt. Vandalismus und Witterung haben die Bausubstanz massiv geschädigt. „Das Fachwerkhaus ist mit äußerster Vorsicht zu genießen, sehr rott“, schreibt ein Besucher auf dem Portal Lostplace.club – ein Satz, der das Ausmaß des Verfalls treffend beschreibt. Der Ort gilt inzwischen als sogenannter Lost Place und zieht Urbex-Fotografen an, während Anwohner das Gelände meiden.

Warum wird die Storchmühle abgerissen?

Die Stadt Wernigerode hat den Abriss der Storchmühle beschlossen, nachdem der Denkmalstatus bereits 2024 aufgehoben wurde. Damit entfiel die rechtliche Hürde, das Gebäude zu entfernen. Laut der Volksstimme habe der Stadtrat einem Bebauungsplan zugestimmt, der auf dem Areal die Errichtung mehrerer Wohnhäuser vorsieht. Eine Sanierung wäre aufgrund der Schäden und der hohen Kosten wirtschaftlich nicht mehr tragbar gewesen.

In den vergangenen Jahrzehnten blieb das Gebäude ungenutzt, teils mit Schulden belastet, teils verwahrlost. Fördermittel oder private Investoren für eine denkmalgerechte Restaurierung fanden sich nicht. Auch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt bestätigte, dass trotz steigender Fördergelder für Denkmalschutz immer wieder Objekte verloren gehen – die Storchmühle ist eines davon.

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Was passiert auf dem Gelände der Storchmühle?

Nach dem Abriss soll auf dem Grundstück im Stadtteil Nöschenrode ein neues Wohngebiet entstehen. Die Stadt plant laut Bebauungsplan mehrere moderne Wohnhäuser, um dem wachsenden Bedarf an Wohnraum gerecht zu werden. Laut der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt besteht gerade in kleineren Städten wie Wernigerode ein deutlicher Mangel an modernen, energieeffizienten Wohnungen – ein Grund, warum das Projekt politisch breite Unterstützung findet.

  • Geplante Nutzung: Wohnbebauung mit Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern
  • Zielgruppe: Familien und Berufspendler
  • Zeithorizont: Beginn der Erschließungsarbeiten voraussichtlich 2026

Erinnerungen und Emotionen – was der Abriss für Wernigerode bedeutet

Viele Bürgerinnen und Bürger reagieren mit Wehmut auf die Nachricht vom Abriss. In den sozialen Medien überwiegt das Bedauern über den Verlust eines „Stücks Wernigeroder Geschichte“. Auf der Facebook-Seite der Volksstimme schrieb eine Nutzerin: „Ich erinnere mich an Familienfeste dort – schade, dass so ein Ort einfach verschwindet.“ Ein anderer kommentierte: „Verfallen lassen, dann abreißen. Typisch. Es hätte auch anders laufen können.“

Auch auf der ehemaligen Website der Betreiberfamilie klingt Wehmut an. Dort heißt es: „Die Storchmühle war lange ein Ort voller Leben – heute ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst.“ Das Zitat verdeutlicht, dass der Verlust nicht nur baulich, sondern auch emotional spürbar ist.

Wie kam es überhaupt so weit?

Die Ursachen für den Verfall sind vielfältig: jahrzehntelanger Leerstand, fehlende Investoren, bürokratische Hürden und steigende Sanierungskosten. Die Denkmalpflege listete das Objekt im bundesweiten „Schwarzbuch der Denkmalpflege“ als Beispiel für verloren gegangene Bausubstanz. Dort wird die Storchmühle stellvertretend für viele ähnliche Fälle genannt, in denen historische Bauten aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit aufgegeben werden.

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Während landesweit die Zahl der Abrissanträge rückläufig ist, zeigt der Fall der Storchmühle, dass es Einzelfälle gibt, in denen die Rettung nicht mehr möglich scheint. Experten betonen, dass gerade Fachwerkgebäude, die jahrzehntelang ungeschützt bleiben, nur mit hohem finanziellen Aufwand erhalten werden können.

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Storchmühle hat eine lange Geschichte. Ursprünglich wurde sie im 19. Jahrhundert als Wassermühle genutzt, später zu einer Gaststätte umgebaut. In den 1960er- und 1970er-Jahren war sie ein beliebter Treffpunkt für Feste, Tanzabende und Ausflüge. Nach der politischen Wende verlor sie an Bedeutung und wurde schließlich geschlossen. Seither blieb sie sich selbst überlassen – ein stiller Zeuge vergangener Jahrzehnte.

Ein Kapitel endet, ein neues beginnt

Der Abriss der Storchmühle in Wernigerode markiert nicht nur das Ende eines Bauwerks, sondern auch den Wandel einer Stadt, die sich zwischen Geschichte und Zukunft bewegt. Die Entscheidung für den Neubau ist ein Balanceakt zwischen Erhalt und Entwicklung. Während einige den Fortschritt begrüßen, trauern andere um den Verlust eines identitätsstiftenden Ortes.

Für die Stadtplanung steht jedoch fest: Auf dem Gelände der Storchmühle soll neuer Wohnraum entstehen – ein Projekt, das in den kommenden Jahren Gestalt annehmen wird. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein Haus, das einst voller Leben war, nun aber dem Lauf der Zeit weicht.

Der leise Abschied eines bekannten Ortes

Vielleicht wird sich in einigen Jahren niemand mehr an die Ruine im Grünen erinnern. Doch wer heute an der Nöschenröder Straße vorbeigeht, sieht noch, wie das Licht durch zerbrochene Fenster fällt und der Wind durch offene Balken zieht – ein letzter Gruß der Storchmühle, bevor sie endgültig verschwindet.

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Z thomas, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.