
Sachsen-Anhalt plant eine neue Abschiebehaftanstalt in Volkstedt, und die Kosten dafür sind in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Von anfänglich kalkulierten vier Millionen Euro liegen die veranschlagten Baukosten inzwischen bei 37,4 Millionen Euro. Neben dem finanziellen Aspekt wirft das Projekt auch politische, gesellschaftliche und praktische Fragen auf.
Ein Projekt mit sprunghaft gestiegenem Preis
Die Pläne für eine eigene Abschiebehaft in Sachsen-Anhalt reichen mehrere Jahre zurück. Ursprünglich war Dessau-Roßlau als Standort vorgesehen, mit einer Kostenprognose von rund vier Millionen Euro. Schon 2021 korrigierte das Innenministerium die Summe nach oben – auf 12,6 Millionen Euro. Heute, nach Standortwechsel nach Volkstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz, ist klar: Die veranschlagten Baukosten betragen 37,4 Millionen Euro.
Die Gründe für diesen Anstieg liegen vor allem in den seit 2021 gestiegenen Baupreisen. Rohstoffknappheit, höhere Lohnkosten und allgemeine Inflationsentwicklungen haben den Markt spürbar verteuert. Das Finanzministerium betont, dass der ursprüngliche Plan zu den alten Konditionen nicht mehr realisierbar war.
Warum Volkstedt?
Die Entscheidung für Volkstedt basiert auf mehreren Faktoren. Die Nähe zur bestehenden Justizvollzugsanstalt schafft logistische Vorteile, ermöglicht Synergieeffekte und sorgt für eine abgeschirmte Lage. Auch die lokale Akzeptanz gilt als höher als in Dessau-Roßlau, wo es bereits zu Diskussionen über den Standort gekommen war.
„Die abgeschiedene Lage, die gute Verkehrsanbindung und die vorhandene Sicherheitsinfrastruktur sprechen klar für Volkstedt“, heißt es aus dem Innenministerium. Auch die Möglichkeit, Personal teilweise aus dem JVA-Bestand zu rekrutieren, spielte bei der Standortwahl eine Rolle.
Betriebskosten und Personalbedarf
Neben den Baukosten schlagen auch die Betriebskosten ins Gewicht. Laut Gesetzentwurf werden jährlich fast 11 Millionen Euro benötigt, um den Betrieb sicherzustellen. Dazu zählen Personalkosten, Sicherheitsdienste, medizinische Versorgung und Verwaltungsausgaben.
Ein weiterer Punkt: Die Rekrutierung von Fachpersonal. Das Land sucht aktiv nach neuen Mitarbeitenden, inklusive Auszubildenden, die für die Arbeit in einer Abschiebesicherungseinrichtung geschult werden sollen. Zulagen und Sonderzahlungen sind Teil der Anreize, um die nötige Personaldecke zu sichern.
Kapazität und Kosten pro Platz
Geplant sind 30 Haftplätze. Rechnet man die Baukosten auf die Kapazität herunter, ergibt sich ein Wert von etwa 1,25 Millionen Euro pro Platz. Dieser hohe Betrag sorgt für Diskussionen, zumal unklar ist, wie hoch die Auslastung langfristig sein wird.
Parameter | Wert |
---|---|
Geplante Plätze | 30 |
Baukosten gesamt | 37,4 Mio. € |
Baukosten pro Platz | 1,25 Mio. € |
Jährliche Betriebskosten | ~11 Mio. € |
Der Hintergrund: Hohe Abbruchquote bei Abschiebungen
Ein wesentlicher Grund für den Bau ist die hohe Zahl gescheiterter Abschiebungen. In Sachsen-Anhalt scheitert derzeit fast jede zweite Abschiebung daran, dass die betroffene Person nicht auffindbar ist. Das Innenministerium spricht von rund 45 Prozent Abbrüchen aufgrund von „Abgängigkeit“.
Auf die häufige Nutzerfrage „Was passiert, wenn abgeschobene Personen untertauchen?“ antworten Behörden klar: Ohne gesicherte Unterbringung ist eine Vollziehung oft unmöglich. Die geplante Einrichtung soll hier Abhilfe schaffen und die Effizienz steigern.
Vergleich zu anderen Bundesländern
Sachsen-Anhalt ist nicht allein mit den Herausforderungen im Bereich der Abschiebehaft. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern betreiben die Länder gemeinsam die Einrichtung in Glückstadt. 2023 fielen dort Kosten von knapp 8 Millionen Euro an – bei einer Auslastung von nur rund 26 Prozent. Das führt zu sehr hohen Kosten pro Hafttag, teils über 1.000 Euro. In einzelnen Berechnungen lag der Wert sogar bei 1.523 Euro pro Person und Tag.
In Nordrhein-Westfalen gibt es ähnliche Probleme. Dort werden zwar neue Kapazitäten geplant, etwa in Mönchengladbach, aber auch dort sind Personalbedarf und Auslastung zentrale Herausforderungen.
Rechtlicher Rahmen und Alternativen
Abschiebehaft ist in den Paragrafen 62 ff. des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Auf europäischer Ebene gibt die Rückführungsrichtlinie vor, dass Haft nur als letztes Mittel und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingesetzt werden darf. Studien und Policy-Papiere, unter anderem vom BAMF, weisen auf Alternativen hin – wie Meldeauflagen, Kautionen oder betreute Unterbringung –, die in bestimmten Fällen effektiver und günstiger sein können.
Kritiker, etwa PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte, betonen, dass Haft oft teuer, ineffektiv und rechtlich umstritten sei. Sie verweisen auf Beispiele, in denen Alternativen zu höheren Rückkehrquoten geführt hätten.
Öffentliche Meinung und Proteste
In sozialen Medien ist das Thema präsent. Lokale Facebook-Seiten und regionale Blogs berichten regelmäßig über den Baufortschritt und die Kostenentwicklung. Auf Plattformen wie Instagram mobilisieren Initiativen wie „Fight Deportation Jail LSA“ gegen das Projekt. Sie sehen die Einrichtung als Symbol einer restriktiven Migrationspolitik und fordern stattdessen Investitionen in Integrationsprogramme.
Auch auf X (ehemals Twitter) wird das Thema kontrovers diskutiert. Während Befürworter auf die Notwendigkeit einer effizienten Abschiebepraxis verweisen, warnen Kritiker vor hohen Kosten und zweifeln den Nutzen an.
Zeitrahmen und nächste Schritte
Die Fertigstellung des Baus ist für Ende 2026 geplant. Danach folgt die Ausstattung, sodass die Inbetriebnahme im Frühjahr 2027 erfolgen könnte. Im Landtag wird parallel eine Initiative vorbereitet, um zeitweise von der gesetzlichen Pflicht zur Trennung von Straf- und Abschiebehaft abzusehen – bis eigene Kapazitäten vollständig nutzbar sind.
Einordnung der Kosten im Bundesvergleich
Die veranschlagten 37,4 Millionen Euro wirken auf den ersten Blick hoch, sind jedoch im Kontext aktueller Bauprojekte im Justizbereich nicht unüblich. Dennoch liegt der Pro-Kopf-Betrag für die geplanten 30 Plätze am oberen Ende der Skala. Die Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass eine geringe Auslastung die Kosten pro Platz zusätzlich hochtreiben kann.
Die Nutzerfrage „Wie hoch sind die jährlichen Betriebskosten der neuen Einrichtung?“ lässt sich daher nicht isoliert betrachten. Die tatsächliche Belastung für den Landeshaushalt hängt entscheidend davon ab, ob die Plätze regelmäßig belegt sind und wie lange die durchschnittliche Haftdauer ausfällt.
Auswirkungen auf die Abschiebepraxis
Das Land erhofft sich, mit der neuen Einrichtung die Zahl der erfolgreichen Abschiebungen deutlich zu erhöhen. 2024 wurden 654 Abschiebungen vollzogen – ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ob die neue Anstalt diese Entwicklung verstärken kann, hängt von zahlreichen Faktoren ab: der Rechtslage, der Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten und der internen Organisation.
In der öffentlichen Debatte stellt sich immer wieder die Frage: „Warum sind die Kosten für Abschiebehaft in Sachsen-Anhalt so hoch?“ Die Antwort ist ein Zusammenspiel aus steigenden Baupreisen, spezifischen Standortentscheidungen und der politischen Zielsetzung, ein langfristig tragfähiges System zu schaffen.
Offene Fragen und künftige Beobachtungspunkte
- Wie hoch wird die tatsächliche Auslastung ab 2027 sein?
- Werden die jährlichen Betriebskosten im geplanten Rahmen bleiben?
- Welche Auswirkungen haben mögliche Proteste auf Bau und Betrieb?
- Wie wird sich die rechtliche Debatte über Alternativen zur Haft entwickeln?
Die neue Abschiebehaft in Volkstedt ist mehr als ein Bauprojekt – sie ist ein politisches Signal. Sie steht für den Versuch, die Durchsetzung des Aufenthaltsrechts zu stärken und organisatorische Lücken zu schließen. Gleichzeitig macht sie sichtbar, wie komplex und kostspielig solche Maßnahmen sind. Ob sich die Investition langfristig auszahlt, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Klar ist schon jetzt: Die Diskussion um Kosten, Nutzen und Alternativen wird die Landespolitik und die Öffentlichkeit noch lange beschäftigen.