
Gernrode (Harz), 18. Juni 2025, 11:30 Uhr
Nach einer längeren Pause kehrt neues Leben in ein historisches Gebäude im Herzen des Harzes zurück: Der Gasthof „Zum Bären“ in Gernrode wird wiedereröffnet. Das Haus, das über Generationen hinweg als fester Bestandteil des Ortes galt, startet unter neuer Führung in eine Zukunft voller Erwartungen, aber auch Herausforderungen. Die bevorstehende Wiedereröffnung ist nicht nur ein lokales Ereignis, sondern auch ein Beispiel dafür, wie historische Bausubstanz und touristisches Interesse miteinander verwoben werden können.
Ein Gasthof mit Geschichte
Der Gasthof „Zum Bären“ blickt auf eine rund 300-jährige Geschichte zurück. Er diente Reisenden, Einheimischen und Touristen gleichermaßen als Ort der Begegnung, des Essens und der Erholung. In den vergangenen Jahrzehnten hat das Gebäude jedoch auch einige schwierige Zeiten erlebt. Nach mehreren Betreiberwechseln, Renovierungsstau und personellen Problemen wurde der Betrieb schließlich eingestellt.
Bis zu seiner Schließung war der Gasthof vor allem für seine traditionelle Küche, die gemütliche Kegelbahn im Keller sowie eine hauseigene Metzgerei bekannt. Doch trotz dieser Alleinstellungsmerkmale ließ die Qualität in den letzten Jahren merklich nach, was sich auch in den Gästebewertungen widerspiegelte. Es gab wiederholte Kritik an veralteter Ausstattung, mangelndem Service und unzureichender Kommunikation – besonders in der letzten aktiven Phase vor der Schließung.
Neue Eigentümer, neue Visionen
Seit einiger Zeit sind nun neue Eigentümer am Werk, deren Ziel es ist, den „Bären“ nicht nur zu reaktivieren, sondern ihn mit einem durchdachten Konzept neu zu positionieren. Zwar sind noch nicht alle Details öffentlich bekannt, doch der sichtbare Fortschritt an der Außenfassade und die umfassenden Arbeiten im Innenbereich lassen auf ein fundiertes Renovierungsvorhaben schließen. Das Gebäude wird kernsaniert, wobei besonders der historische Charme erhalten bleiben soll.
Ein ambitioniertes Ziel: In einem Ort wie Gernrode, der stark vom Kulturtourismus lebt und in dem viele historische Gebäude unter Denkmalschutz stehen, sind Anforderungen an Renovierungsmaßnahmen besonders hoch. Die neuen Betreiber scheinen sich jedoch dieser Verantwortung bewusst zu sein – auch deshalb, weil das Haus künftig wieder als Anlaufpunkt für Wanderer, Kulturinteressierte und regionale Gäste dienen soll.
Gernrode als touristisches Ziel
Gernrode ist nicht nur ein beliebter Ausflugsort für Harz-Touristen, sondern auch ein kulturhistorisches Kleinod. Mit der über 1000 Jahre alten Stiftskirche St. Cyriakus, der Selketalbahn und der Heinrichsburg in unmittelbarer Nähe, bietet der Ort ein attraktives Umfeld für Gäste aus ganz Deutschland.
Die touristische Infrastruktur ist gut ausgebaut, die Nachfrage saisonal stark ausgeprägt – insbesondere während der Sommermonate, an Feiertagen und in der Vorweihnachtszeit. Hotels und Gasthöfe im Ort sind regelmäßig ausgebucht. Das Wiedereröffnen eines weiteren, zentral gelegenen Hauses wie des „Bären“ könnte somit zur Entlastung beitragen und gleichzeitig neue Gästegruppen ansprechen.
Historische Schwächen als Lehre für die Zukunft
Ein Blick in die Vergangenheit des Gasthauses offenbart jedoch auch Schwächen, die bei einem Neustart vermieden werden sollten. Frühere Gäste bemängelten unter anderem:
- Veraltetes Mobiliar (teilweise noch aus DDR-Zeiten)
- Launenhaftes Personal und schlechte Kommunikation
- Mängel bei Sanitäranlagen und Heizung
- Probleme mit Buchungen über Online-Portale
Diese Negativerfahrungen sind dokumentiert und sollten den neuen Eigentümern als wertvolle Grundlage für Verbesserungen dienen. Der Anspruch, nicht nur ein Gasthaus zu sein, sondern ein gastfreundlicher und technisch moderner Betrieb mit historischem Flair, könnte zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden.
Von der Kegelbahn zum Eventraum
Eine Besonderheit des „Zum Bären“ war und ist seine Infrastruktur. Neben 15 Gästezimmern verfügt das Haus über:
- eine große Kellerkegelbahn
- einen separaten Veranstaltungsraum
- eine traditionelle Tanzbar
- einen Biergarten mit Blick auf das Fachwerkviertel
Diese Einrichtungen ermöglichen es den neuen Betreibern, über die klassische Gastronomie hinauszugehen. Denkbar wären z. B. Themenabende, Kulturveranstaltungen, Lesungen oder regionale Genussmärkte. Eine strategische Neuausrichtung als „Erlebnisgasthof“ könnte somit zur Alleinstellung gegenüber Konkurrenzbetrieben führen.
Wettbewerb und Chancen in Gernrode
In Gernrode und Umgebung gibt es eine Vielzahl weiterer historischer Unterkünfte – darunter der „Braune Hirsch“ oder das Hotel „Stubenberghaus“. Beide Häuser setzen auf hochwertigen Landhausstil, regionale Küche und kulturtouristische Angebote. Der „Zum Bären“ muss sich also nicht nur behaupten, sondern klar differenzieren.
Eine Tabelle zeigt die Ausgangslage:
Gasthaus | Zimmer | Besonderheiten | Bewertung (∅) |
---|---|---|---|
Zum Bären | 15 | Kegelbahn, Tanzbar, Metzgerei | 4,6/10 (vor Schließung) |
Brauner Hirsch | 18 | Jugendstil-Restaurant, Kaminzimmer | 8,4/10 |
Stubenberghaus | 22 | Tagungen, Aussichtsterrasse | 9,0/10 |
Hier zeigt sich: Das Potenzial ist vorhanden – allerdings nur, wenn Servicequalität, Angebotstiefe und ein klares Nutzungskonzept greifen.
Denkmalförderung und öffentliche Unterstützung
Als denkmalgeschütztes Objekt könnte das Haus „Zum Bären“ auf verschiedene Fördermittelprogramme zurückgreifen – etwa über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz oder Landesförderungen. Diese Mittel ermöglichen nicht nur eine aufwändige Sanierung, sondern bieten auch öffentlichkeitswirksame Reichweite, z. B. durch Projektpartnerschaften.
Ein restauriertes Gasthaus dieser Größenordnung, das als Musterbeispiel für erfolgreichen Kulturerhalt dient, kann zusätzliche Aufmerksamkeit auf den Ort ziehen. Gerade in Zeiten rückläufiger Bevölkerungszahlen – Gernrode wird bis 2025 laut Prognosen unter die 3.000-Einwohner-Marke fallen – ist jeder touristische Impuls auch ein Gewinn für die regionale Wirtschaft.
Strategische Empfehlungen für den Neustart
Für einen erfolgreichen Wiedereinstieg in den Markt sind aus professioneller Sicht folgende Punkte zentral:
- Investition in modernes Buchungssystem mit transparenten Stornoregeln
- Schulung von Personal mit Fokus auf Gastfreundschaft und Kommunikation
- Regionale Küche mit modernem Twist (z. B. Wildkräuter-Menü, Slow-Food-Ansatz)
- Nutzung der Kegelbahn und Tanzbar für Eventreihen
- Kooperation mit Kulturträgern vor Ort (z. B. Kirchenmusik, Heimatmuseum)
Durch diese Maßnahmen lässt sich nicht nur das alte Vertrauen zurückgewinnen, sondern auch eine neue Zielgruppe erschließen, die Wert auf Erlebnis, Authentizität und Gastlichkeit legt.
Der „Bär“ könnte wieder brummen
Die Wiedereröffnung des Gasthauses „Zum Bären“ in Gernrode ist mehr als ein neuer gastronomischer Versuch – sie ist Symbol für Aufbruch, für Mut zur Erneuerung und für den respektvollen Umgang mit regionaler Identität. Wenn es den neuen Eigentümern gelingt, Vergangenheit und Zukunft geschickt zu verbinden, stehen die Chancen gut, dass der „Bär“ in Gernrode bald wieder zu einer festen Institution wird – für Einheimische wie für Gäste aus aller Welt.