
Nachgestellt: Ein moderner Hotelbau im Kontrast zu historischen Gebäuden im Herzen einer UNESCO-geschützten Altstadt. Die Szene zeigt den Spagat zwischen Tradition und Moderne. (Symbolbild – exemplarisch)
Goslar. Mitten im Herzen der historischen Altstadt, im sogenannten Kaiserpfalzquartier, plant die Stadt Goslar ein ambitioniertes Großprojekt: Ein neuer Hotelkomplex, eine multifunktionale Veranstaltungshalle und eine Tiefgarage sollen entstehen – und das unmittelbar im Bereich des UNESCO-Weltkulturerbes. Während Befürworter von einem wirtschaftlichen Aufschwung und touristischen Impulsen sprechen, warnen Kritiker vor einem irreversiblen Eingriff in das historische Stadtbild.
Ein Projekt im Spannungsfeld
Das Kaiserpfalzquartier liegt nur wenige Schritte von der Kaiserpfalz entfernt, dem Wahrzeichen Goslars und Herzstück des Welterbestatus. Geplant sind ein Vier-Sterne-Hotel mit einer Fläche von etwa 7.200 Quadratmetern, eine Veranstaltungshalle für bis zu 600 Sitzplätze (bzw. 800 Stehplätze) und eine Tiefgarage. Die Dimensionen des Vorhabens sind beträchtlich – und sie liegen deutlich über den ersten Entwürfen aus dem Jahr 2016, als für das Hotel noch rund 5.500 Quadratmeter vorgesehen waren.
Die Stadtverwaltung verweist auf einen lange währenden Planungsprozess, Wettbewerbsverfahren und die Einbindung von Fachgremien wie ICOMOS, dem beratenden Organ der UNESCO. Kritiker wie die Organisation World Heritage Watch hingegen sprechen von einer „Attacke auf das Welterbe“ und werfen der Stadt vor, die Interessen des Investors über den Schutz historischer Substanz zu stellen.
Warum ist der Hotelneubau so umstritten?
Eine zentrale Frage vieler Bürger lautet: „Warum wird der Hotelneubau im UNESCO-Welterbe Goslar kontrovers diskutiert?“ Die Antwort liegt in der besonderen Lage des Projekts. Das Kaiserpfalzquartier grenzt direkt an die UNESCO-geschützte Altstadt, in der jedes Bauvorhaben strengen denkmalpflegerischen Anforderungen unterliegt. Gegner fürchten, dass das moderne Design die Sichtachsen auf die Kaiserpfalz stört und die historische Stadtsilhouette nachhaltig verändert. Hinzu kommt, dass es in der Altstadt leerstehende Traditionshotels wie das „Kaiserworth“ oder das „Brusttuch“ gibt, deren Wiederbelebung aus Sicht der Kritiker Vorrang haben sollte.
Planungshistorie und Bürgerbeteiligung
Die Planungen für das Kaiserpfalzquartier reichen bis ins Jahr 2015 zurück, als erste Workshops und Bürgerforen durchgeführt wurden. 2018/2019 folgten Architekturwettbewerbe, aus denen der Entwurf des Büros Nieto Sobejano hervorging. Seitdem gab es mehrere Überarbeitungen, öffentliche Auslegungen und ein formales Bebauungsplanverfahren (B-Plan Nr. 176).
Ein wichtiger Meilenstein war der Bürgerentscheid am 7. April 2024. Die Frage lautete, ob sich die Stadt finanziell an den Baukosten der Veranstaltungshalle beteiligen solle. Zwar stimmte eine Mehrheit der Abstimmenden mit „Ja“, doch wurde das erforderliche Quorum nicht erreicht, sodass das Ergebnis rechtlich nicht bindend war. Trotz dieser Einschränkung werteten viele politische Akteure das Resultat als Rückendeckung für das Projekt.
Tourismus als Treiber der Befürworter
Mit jährlich rund 660.000 Übernachtungen und über 250.000 Gästen ist Goslar eine feste Größe im Tourismus des Harzes. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 2,6 Tagen zeigt, dass viele Besucher mehr als nur einen Tagesausflug einplanen. Befürworter des Hotelneubaus sehen darin eine klare Begründung für zusätzliche Kapazitäten. „Das Kaiserpfalzquartier wird ein Magnet für neue Tages- und Übernachtungsgäste“, so ein Vertreter der Initiative proKaiserPfalzQuartier in sozialen Medien.
Diese Argumentationslinie findet auch bei regionalen Wirtschaftsvertretern Gehör. Die geplante Halle soll nicht nur für kulturelle Veranstaltungen, sondern auch für Kongresse und Tagungen genutzt werden – mit potenziell überregionaler Strahlkraft. Besonders hervorgehoben wird die Chance, den Deutschen Verkehrsgerichtstag dauerhaft an Goslar zu binden.
Architektur zwischen Moderne und Tradition
Die Architektur des Projekts polarisiert. Die Planer setzen auf eine moderne Formsprache, die bewusst einen Kontrast zur mittelalterlichen Kulisse bildet. Gleichzeitig wurde das Hotel im Entwurf etwas zurückgesetzt, um die Sichtachse zur Kaiserpfalz zu wahren. Geplant ist zudem die gestalterische Nachzeichnung der Fundamente der historischen Stiftskirche, um archäologische Spuren sichtbar zu machen.
Gegner monieren jedoch, dass der gestalterische Bruch zu groß sei und der Neubau das Gesamtbild des historischen Ensembles störe. In Foren und sozialen Netzwerken wird teils scharf formuliert, von „Provinzposse“ bis „modernistischer Klotz“.
Finanzierungsdebatte und Investorenrolle
In der öffentlichen Diskussion spielt die Finanzierung eine zentrale Rolle. Auf Social Media wird von Befürwortern betont, dass der Investor nicht nur das Hotel und die Tiefgarage finanziert, sondern sich mit rund 10 Millionen Euro auch am Bau der Halle beteilige. Kritiker hinterfragen, ob diese Summe in Relation zu den Gesamtkosten und langfristigen Folgelasten für die Stadt stehe.
Alternativen im Gespräch
Eine weitere häufige Frage lautet: „Welche Alternativen zum Hotelbau werden vorgeschlagen?“ Hier bringen Organisationen wie World Heritage Watch und BUND kreative Ideen ins Spiel: Statt eines weiteren Hotels könnten kulturelle Einrichtungen entstehen, etwa ein Museum oder Ausstellungsflächen. Auch die Nutzung der Fläche als Archäologiepark wurde diskutiert. Ziel dieser Vorschläge ist es, den historischen Charakter des Quartiers zu bewahren und dennoch eine öffentliche Nutzung zu ermöglichen.
Naturschutz und Stadtraum
Naturschutzverbände kritisieren insbesondere Eingriffe in die Grünstruktur an der Werenbergstraße. Diese gilt als wichtige Biotopverbindung innerhalb der Stadt. Die Bebauungspläne enthalten zwar Festsetzungen zu Grünflächen und Ausgleichsmaßnahmen, dennoch sehen die Umweltverbände erheblichen Handlungsbedarf, um die ökologischen Qualitäten des Areals zu sichern.
Wie groß wird das Projekt tatsächlich?
Die Dimensionen des Vorhabens werfen weitere Fragen auf. „Wie groß ist das geplante Hotel- und Veranstaltungsprojekt im Kaiserpfalzquartier?“ – Die Antwort ist klar: Das Hotel soll auf rund 7.200 Quadratmetern entstehen, ergänzt durch die multifunktionale Halle mit bis zu 800 Stehplätzen. Damit zählt es zu den größten Bauprojekten der jüngeren Stadtgeschichte und wird die Struktur des Quartiers grundlegend verändern.
Zeithorizont und Realisierung
In sozialen Netzwerken kursiert als Zielmarke für die Fertigstellung „Mitte 2029“. Offiziell ist dieser Zeitplan noch nicht festgeschrieben, doch spiegelt er die Erwartung vieler Beteiligter wider. Angesichts der komplexen Genehmigungs- und Bauprozesse könnte der tatsächliche Realisierungshorizont davon abweichen.
Stimmen aus der Stadtgesellschaft
Die Debatte ist längst nicht nur ein formaler Planungsprozess – sie hat sich zu einem identitätsstiftenden Thema für Goslar entwickelt. In Bürgerforen, auf Facebook und Instagram wird kontrovers diskutiert. Befürworter teilen Visualisierungen und betonen wirtschaftliche Chancen, Gegner posten historische Vergleichsbilder und warnen vor „Verlust der Seele der Altstadt“.
Die Polarisierung zeigt sich auch in den Begriffen, die verwendet werden: Während Pro-Seite und Verwaltung vom „wichtigen Impulsprojekt“ sprechen, prägen Kritiker Schlagworte wie „Klotz“ oder „Angriff auf das Welterbe“.
Welterbestatus als Pflicht und Chance
Der Welterbestatus verpflichtet die Stadt zu besonderer Sorgfalt im Umgang mit dem historischen Erbe. Die Einbindung von ICOMOS in die Planungsprozesse soll sicherstellen, dass die UNESCO-Kriterien gewahrt bleiben. Doch wie der Konflikt zeigt, ist selbst die fachliche Beteiligung kein Garant für gesellschaftlichen Konsens.
Langfristig wird das Kaiserpfalzquartier auch zu einem Testfall: Gelingt es, ein modernes Bauprojekt harmonisch in ein mittelalterliches Umfeld zu integrieren? Oder wird der Eingriff in das Stadtbild als Verlust empfunden?
Die nächsten Schritte
Derzeit läuft die erneute öffentliche Auslegung der geänderten Planunterlagen. Bürger, Verbände und Institutionen können Stellungnahmen abgeben. Nach Auswertung dieser Rückmeldungen entscheidet der Rat über die endgültige Fassung des Bebauungsplans.
Ob der Baustart wie angedacht in den nächsten Jahren erfolgt, hängt nicht nur von den formalen Verfahren ab, sondern auch davon, ob es gelingt, die gesellschaftliche Akzeptanz zu stärken. Denn selbst ein rechtlich genehmigtes Projekt kann im Alltag auf Widerstände stoßen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung es ablehnt.
Ein Projekt, das Goslar prägen wird
Unabhängig vom Ausgang der Debatte steht fest: Der Hotelneubau im UNESCO-Weltkulturerbe ist eines der bedeutendsten und umstrittensten Bauvorhaben der jüngeren Stadtgeschichte. Er bündelt zentrale Fragen der Stadtentwicklung: Wie balanciert man wirtschaftliche Interessen und touristisches Wachstum mit Denkmalschutz und Welterbeerhalt? Welche Rolle spielt Bürgerbeteiligung, wenn formale Verfahren und gesellschaftliche Erwartungen auseinandergehen?
In Goslar wird derzeit nicht nur über ein Bauprojekt entschieden – es geht um die künftige Identität einer Stadt, die stolz auf ihre Geschichte ist und gleichzeitig nicht stehen bleiben will.