Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt kämpft mit fehlenden Schulleitungen: Jede vierte Schule ohne feste Führung

Sachsen-Anhalt steht vor einer gewaltigen bildungspolitischen Herausforderung. Mehr als 190 Leitungsstellen an Schulen sind derzeit unbesetzt, was bedeutet, dass rechnerisch jede vierte öffentliche Schule im Land ohne reguläre Schulleitung ist. Besonders Grundschulen sind betroffen, und die Übergangslösungen stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Die Landesregierung versucht mit neuen Maßnahmen gegenzusteuern, doch Kritik und Sorgen bleiben groß.

Eine alarmierende Zahl: 189 offene Leitungsposten

Das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt hat jüngst bestätigt, dass aktuell 189 Schulleitungsstellen vakant sind. Darunter fallen 78 Schulleiterstellen und 111 Stellvertretungen. Auf das gesamte Schulsystem des Landes gerechnet bedeutet dies, dass an etwa jeder vierten Schule eine dauerhafte Führung fehlt. Besonders gravierend zeigt sich die Lage an Grundschulen, wo allein 57 Leitungs- und 66 Stellvertretungsstellen nicht besetzt sind.

Warum bleibt dennoch keine Schule führungslos?

Eine oft gestellte Frage lautet: Warum bleibt keine Schule in Sachsen-Anhalt ohne Leitung? Die Antwort darauf liefert das Ministerium selbst. Keine Schule wird gänzlich führungslos zurückgelassen. Stattdessen übernehmen beauftragte Lehrkräfte, stellvertretende Schulleitungen oder in einigen Fällen sogar Leitungsteams benachbarter Schulen kommissarisch die Verantwortung. Diese Übergangslösungen sind zwar notwendig, doch sie erhöhen die Belastung für alle Beteiligten erheblich.

Neue Wege in der Bewerbergewinnung

Um die offenen Stellen zu besetzen, hat das Land seine Anforderungen angepasst. Eine weitere häufige Nutzerfrage lautet: Wer darf sich derzeit in Sachsen-Anhalt um eine Schulleitungsstelle bewerben? Bisher war es üblich, dass Bewerber mindestens fünf Jahre Unterrichtserfahrung mitbringen mussten. Diese Vorgabe wurde nun gelockert, sodass auch Lehrkräfte mit weniger Erfahrung eine Chance erhalten. Zudem sind Bewerbungen von Lehrkräften anderer Schulformen sowie von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern möglich. Tatsächlich wurden seit Anfang des Jahres fünf Ausschreibungen explizit für Seiteneinsteiger geöffnet, wenngleich bislang nur eine einzige Bewerbung einging.

Seiteneinsteiger als Hoffnungsträger?

Aktuell unterrichten in Sachsen-Anhalt rund 13.930 Lehrkräfte, darunter etwa 2.440 Seiteneinsteiger. Sie spielen bereits heute eine wichtige Rolle in der Unterrichtsversorgung. Doch wenn es um Schulleitungen geht, bleiben viele Fragen offen. Fachleute warnen davor, die Hürden zu stark abzusenken, da die Leitung einer Schule weit mehr als nur pädagogische Kompetenz erfordert. Verwaltung, Personalführung und Organisation sind zentrale Aufgaben, die gezielte Ausbildung und Erfahrung voraussetzen.

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Das Dilemma: Unterrichtsausfall und Zeugnislücken

Während über fehlende Schulleitungen diskutiert wird, zeigen andere Zahlen, wie gravierend die Folgen des allgemeinen Lehrermangels sind. Im Schuljahr 2023/24 fielen fast 700.000 Unterrichtsstunden ersatzlos aus – das sind etwa sechs Prozent des geplanten Unterrichts. Insgesamt wurden 1,6 Millionen Stunden nicht wie vorgesehen erteilt, was rund 14 Prozent entspricht. Besonders Gesamtschulen und Förderschulen leiden unter dieser Situation.

Die Auswirkungen sind nicht nur im Stundenplan sichtbar, sondern auch in den Zeugnissen. In einer Halbjahresrunde erhielten 27.245 Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt in mindestens einem Fach keine Zeugnisnote. Teilweise fehlten sogar in mehreren Fächern die Bewertungen, weil schlicht keine Lehrkräfte verfügbar waren. Dies unterstreicht, dass fehlende Leitungspersonen nur die Spitze des Eisbergs darstellen, während das Fundament – die Unterrichtsversorgung – ebenso wankt.

Rekrutierung im Ausland – ein Modell mit Risiken

Eine in Deutschland einzigartige Maßnahme hat Sachsen-Anhalt ebenfalls gestartet: Das Land setzt Headhunter ein, um gezielt Lehrkräfte im Ausland zu gewinnen. Bisher konnten so 110 Lehrerinnen und Lehrer angeworben werden. Doch diese Strategie ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln die hohen Kosten von rund 1,2 Millionen Euro und weisen auf Sprachbarrieren hin. Zwar sollen Sprachkurse helfen, die Integration zu erleichtern, doch die Frage bleibt, ob diese Form der Personalgewinnung nachhaltig ist.

Politische Initiativen für mehr Führungskompetenz

Um den Beruf attraktiver zu machen und die Qualität der Schulleitungen langfristig zu sichern, hat das Bildungsministerium ein Programm zur Professionalisierung aufgelegt. Es soll neue und erfahrene Schulleitungen gleichermaßen stärken und sie besser auf die komplexen Herausforderungen vorbereiten. Bildungsminister Jan Riedel, der selbst Schulleiter war, setzt darüber hinaus auf einen engen Austausch mit Lehrkräften. Er betont, dass Lösungen nur im Dialog gefunden werden können.

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Belastung im Alltag: Stimmen aus Schulen und Gewerkschaften

In sozialen Netzwerken und Foren machen sich Lehrkräfte Luft. Diskutiert wird unter anderem, ob die Rolle der Schulleitung stärker aufgeteilt werden sollte. Viele sehen die Doppelbelastung zwischen Unterricht und administrativen Aufgaben als zentralen Grund für die geringe Attraktivität der Position. In einem Diskussionsforum hieß es: „Schulleitung frisst Unterricht – wir brauchen eine klare Trennung zwischen pädagogischer Führung und Verwaltung.“ Dieser Vorschlag stößt auf Resonanz, weil er ein strukturelles Problem benennt.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) meldet sich kritisch zu Wort. Sie warnt vor „Bildungsklau statt Bildungsqualität“ und sieht in geplanten Effizienzmaßnahmen eher eine Gefahr als eine Lösung. Die Organisation fordert stattdessen mehr Ressourcen, um die Schulen nachhaltig zu stärken.

Besondere Engpässe bei Sprachlehrkräften

Neben dem generellen Mangel gibt es in Sachsen-Anhalt fachspezifische Lücken. So wirbt das Bildungsministerium derzeit gezielt 55 neue Sprachlehrkräfte für das kommende Schuljahr an, insbesondere für Deutsch als Zweitsprache. Damit reagiert das Land auf steigende Bedarfe im Bereich Integration, die ohne ausreichendes Personal kaum zu bewältigen sind.

Bundesweiter Vergleich: Sachsen-Anhalt als Problemfall

Eine weitere häufig gestellte Frage lautet: Wie ist die Situation im bundesweiten Vergleich – fehlt Sachsen-Anhalt relativ mehr Schulleitungen? Die Zahlen zeigen deutlich, dass Sachsen-Anhalt besonders stark betroffen ist. Etwa 14,3 Prozent aller Leitungsstellen sind unbesetzt – deutlich mehr als in vielen anderen Bundesländern. Das Land gilt daher als ein Brennpunkt der bildungspolitischen Debatte in Deutschland.

Herausforderungen für die Zukunft

Die Situation spitzt sich zu, weil die kommenden Jahre von zahlreichen Pensionierungen geprägt sein werden. Viele erfahrene Schulleiterinnen und Schulleiter werden ausscheiden, während der Nachwuchs fehlt. Hinzu kommen die steigenden Anforderungen an Schulen: Digitalisierung, Inklusion und Integration sind Themen, die eine stabile Führung und langfristige Planung erfordern.

Was tun, um die Krise zu überwinden?

Die Debatte um die Zukunft der Schulleitung in Sachsen-Anhalt ist von vielen Vorschlägen begleitet. Manche plädieren für eine bessere Bezahlung und klarere Karrierewege, andere für strukturelle Veränderungen. Die Idee, Verwaltungskräfte an Schulen stärker einzusetzen und Schulleitungen so zu entlasten, findet zunehmend Zuspruch. Auch die internationale Rekrutierung könnte langfristig Teil einer Lösung sein – wenn Sprachförderung und Integration konsequent umgesetzt werden.

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Eine Übersicht der zentralen Probleme und Maßnahmen:

  • Offene Stellen: 78 Schulleiter und 111 Stellvertreter fehlen.
  • Betroffene Schulen: Besonders Grundschulen ohne feste Leitung.
  • Übergangslösungen: Beauftragte Lehrkräfte oder Nachbarschulen übernehmen kommissarisch.
  • Neue Bewerbergruppen: Lockerungen für Seiteneinsteiger und Lehrkräfte anderer Schulformen.
  • Internationale Rekrutierung: 110 ausländische Lehrkräfte durch Headhunter gewonnen.
  • Unterrichtsausfall: 700.000 Stunden fielen ersatzlos aus.
  • Zeugnislücken: Über 27.000 Schüler erhielten in mindestens einem Fach keine Note.

Ein ungelöstes Spannungsfeld

Die Lage in Sachsen-Anhalt zeigt exemplarisch, wie tief die Herausforderungen im deutschen Bildungssystem reichen. Zwischen dem Anspruch, jedes Kind bestmöglich zu fördern, und der Realität knapper Ressourcen klafft eine große Lücke. Politische Maßnahmen greifen punktuell, doch eine nachhaltige Verbesserung erfordert mehr als kurzfristige Programme. Es geht um die Attraktivität des Lehrer- und Leitungsberufs, um verlässliche Strukturen und darum, das Vertrauen in die Zukunft der Schulen zu stärken.

Sachsen-Anhalt steht dabei nicht allein, doch die Dimension der Probleme ist hier besonders sichtbar. Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, ob es gelingt, die Weichen neu zu stellen – für stabile Schulen, motivierte Lehrkräfte und verlässliche Bildungswege für die nächste Generation.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.