
Quedlinburg – Auf einem Supermarktparkplatz in der Harzer Stadt kam es am 19. August 2025 zu einem dramatischen Notfall: Ein 18 Monate alter Junge erlitt vor den Augen seiner Eltern einen plötzlichen Herzstillstand. Dank des schnellen Eingreifens von Rettungskräften konnte das Leben des Kindes gerettet werden. Der Vorfall wirft ein grelles Licht auf die Bedeutung schneller Ersthilfe, die Herausforderungen bei der Reanimation von Kleinkindern und die Notwendigkeit medizinischer Vorbereitung.
Ein Notfall mitten im Alltag
Es war ein ganz gewöhnlicher Montagvormittag in Quedlinburg. Eltern erledigten ihre Einkäufe, Kinder saßen in Einkaufswagen oder spielten an der Hand ihrer Mütter. Nichts deutete auf das hin, was sich in Sekunden zuspitzen sollte: Der kleine Emil Maximilian, 18 Monate alt, zeigte plötzlich keine Lebenszeichen mehr. Der Junge hatte aufgehört zu atmen. Sofort verständigte die Mutter den Notruf – Sekunden später lief ein komplexer, minutiös koordinierter Rettungseinsatz an.
Sanitäter handeln unter extremem Druck
Sanitäter:innen vom Malteser Hilfsdienst, Mitarbeitende des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) und ein Notarzt waren innerhalb kürzester Zeit vor Ort. Der Junge hatte einen Herzstillstand erlitten – eine der gefährlichsten medizinischen Notfallsituationen überhaupt, vor allem bei Kleinkindern. Die Situation war dramatisch: Das Kind lag leblos auf dem Asphalt, die Eltern standen unter Schock.
Eine der Rettungskräfte, Jennifer Blume, äußerte sich später tief bewegt: „Zu sehen, dass es Emil gut geht, gibt uns Kraft. Es hilft auch uns, solche Einsätze zu verarbeiten.“
Warum Herzstillstand bei Kindern besonders tückisch ist
Herzstillstände bei Kleinkindern sind selten, aber keinesfalls ausgeschlossen. Anders als bei Erwachsenen ist die Ursache bei Kindern in den meisten Fällen nicht primär kardial, sondern respiratorisch bedingt. Das bedeutet: Atemwegsverengungen, Infekte, Fremdkörper oder Ertrinken führen in der Regel zu einem Sauerstoffmangel, der dann das Herz zum Stillstand bringt.
Ein solcher medizinischer Notfall erfordert schnelles, altersgerechtes und präzises Handeln. Dabei unterscheiden sich die Maßnahmen zur Wiederbelebung bei Kindern deutlich von denen bei Erwachsenen.
Was tun, wenn ein Kleinkind einen Herzstillstand erleidet?
Eltern, Erzieher:innen oder Ersthelfer stehen oft hilflos vor der Situation. Dabei ist gerade in den ersten Minuten entscheidend, dass Hilfe geleistet wird. Zuerst sollte geprüft werden, ob das Kind bewusstlos ist und nicht normal atmet. Ist das der Fall, muss unverzüglich mit der Reanimation begonnen werden.
- 5 Initialbeatmungen
- Herzdruckmassage mit einem Verhältnis von 30:2 (30 Kompressionen, 2 Beatmungen)
- Reanimationsfrequenz: 100–120 Kompressionen pro Minute
- Drucktiefe: etwa 5 cm, aber nicht mehr als ein Drittel des Brustkorbs
Warum fünf Beatmungen zuerst?
Diese Vorgehensweise ist spezifisch für Kinder. Da häufig Sauerstoffmangel die Hauptursache ist, sollen die ersten fünf Beatmungen möglichst rasch Sauerstoff in die Lunge bringen. Erst danach folgt die Herzdruckmassage. Diese Reihenfolge erhöht die Überlebenschance signifikant.
Wie die Rettung in Quedlinburg ablief
Die Einsatzkräfte in Quedlinburg handelten nach genau diesen Vorgaben. Die Beatmung wurde eingeleitet, es folgten die Herzdruckmassagen. Die Umgebung war in Schockstarre – viele Passanten waren emotional betroffen, trauten sich aber nicht einzugreifen. Dank des raschen und routinierten Vorgehens der Profis konnte das Kind stabilisiert und anschließend ins Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben gebracht werden.
Wie funktioniert die Herzdruckmassage bei Kindern genau?
Bei Kleinkindern wird in der Regel der Handballen (bei kleineren Kindern auch nur zwei Finger) auf das untere Drittel des Brustbeins gelegt. Der Brustkorb wird rhythmisch eingedrückt, idealerweise mit 100 bis 120 Kompressionen pro Minute. Wichtig: Das Brustbein muss vollständig wieder entlastet werden, damit das Blut in den Kreislauf zurückströmen kann.
Kann ich als Laie bei einem Kleinkind etwas falsch machen?
Nein – das größte Risiko ist, gar nichts zu tun. Fehler bei der Reanimation sind selten schwerwiegender als das Abwarten. Wichtig ist, mutig zu handeln, auch wenn keine perfekte Technik vorliegt. Selbst wenn Beatmung oder Drucktiefe nicht optimal sind – jede Maßnahme verbessert die Überlebenschance des Kindes deutlich.
Wie häufig sind solche Vorfälle?
Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland jährlich etwa 3.000 bis 4.000 Reanimationen bei Kindern, davon rund 25 % im außerklinischen Bereich. Bei Notärzten ist die Erfahrung mit solchen Fällen deshalb selten – statistisch kommt ein Notarzt nur alle neun Jahre mit einer Kinderreanimation in Kontakt.
Ein Blick auf die Ursachen zeigt, dass neben Atemnot auch angeborene Herzfehler, Myokarditis oder genetische Rhythmusstörungen infrage kommen. In Emils Fall wurden keine weiteren Details veröffentlicht, doch die Ärzte schließen aufgrund des klinischen Verlaufs eine infektiöse Ursache nicht aus.
Ab wann darf ein AED bei Kindern eingesetzt werden?
Automatisierte externe Defibrillatoren (AED) sind im öffentlichen Raum vorhanden, doch bei Kindern unter acht Jahren sollte man sie nur einsetzen, wenn das Gerät über einen speziellen Kindermodus oder entsprechende Elektroden verfügt. Ist dies nicht der Fall, bleibt die klassische Wiederbelebung ohne Schockabgabe die erste Wahl.
Medizinische Versorgung im Harz: Ist die Region vorbereitet?
Quedlinburg verfügt über ein modernes Akutkrankenhaus mit Notfallversorgung, das auch auf Kinder- und Jugendmedizin spezialisiert ist. Das Harzklinikum behandelt jährlich über 18.000 stationäre und 20.000 ambulante Fälle. Notfallsprechstunden für Kinder existieren im nahe gelegenen Blankenburg – an Wochenenden und Feiertagen übernehmen dort erfahrene Kinderärzt:innen die Versorgung.
Netzwerke wie die Bergwacht ergänzen den Rettungsdienst
Auch die DRK-Bergwacht Harz ist Teil des regionalen Notfallkonzepts. Sie ist zwar vor allem im unwegsamen Gelände aktiv, kann aber bei komplexen Lagen im ländlichen Raum unterstützend tätig werden. 49 aktive Einsatzkräfte sind jährlich an über 120 Einsätzen beteiligt – Tendenz steigend.
Wichtige Rolle der Prävention: Erste-Hilfe-Kurse für Eltern
Der dramatische Fall in Quedlinburg zeigt: Reanimation kann Leben retten. Doch viele Eltern wissen nicht, wie sie im Notfall handeln sollen. Die DRK-Kreisverbände bieten deshalb regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse speziell für Kleinkinder und Säuglinge an – auch in Quedlinburg, Halberstadt und Wernigerode.
Die Kurse beinhalten praxisnahe Übungen zu Beatmung, Herzdruckmassage, Schocklage und dem richtigen Verhalten bei Fieberkrämpfen oder Atemnot. Für 55 Euro erwerben Eltern hier wertvolles Wissen – Wissen, das im Ernstfall Leben retten kann.
Wie lange muss man reanimieren, bevor man Hilfe ruft?
Ist man allein mit dem betroffenen Kind, sollte man nach den fünf Initialbeatmungen und etwa einer Minute Reanimation (ca. fünf Zyklen von 30:2) kurz den Notruf wählen – dabei möglichst mit Freisprechfunktion arbeiten. Danach wird die Wiederbelebung ohne Unterbrechung fortgesetzt, bis professionelle Hilfe eintrifft.
Ein Moment, der nachwirkt
Der Rettungseinsatz auf dem Supermarktparkplatz in Quedlinburg ist längst vorbei. Doch was bleibt, ist mehr als nur Erleichterung. Er bleibt ein Mahnmal dafür, wie fragil das Leben ist – besonders das der Kleinsten unter uns. Er erinnert daran, dass auch ganz normale Menschen in Ausnahmesituationen über sich hinauswachsen können. Und dass Rettungskräfte täglich an ihre Grenzen gehen, um Leben zu retten.
Emils Geschichte endet glücklicherweise mit einer stabilen Verlegung ins Krankenhaus – dank der Entschlossenheit der Sanitäter und der raschen Alarmierung durch die Eltern. Ob sein kleiner Körper Langzeitfolgen davonträgt, ist noch unklar. Doch eines ist sicher: Ohne schnelles Handeln wäre die Geschichte ganz anders ausgegangen.
Für die Familie beginnt nun die Aufarbeitung des Erlebten – möglicherweise mit psychologischer Betreuung. Für Quedlinburg beginnt eine neue Diskussion über Reanimation, Ersthilfe und die Frage, wie gut man für den Ernstfall gerüstet ist.