
Quedlinburg – Die Fachwerkstadt im Harz sieht sich mit einem dramatischen Finanzloch konfrontiert: Im Haushaltsjahr 2025 fehlen der Stadt rund 4,5 Millionen Euro. Eine Summe, die nicht nur Politik und Verwaltung unter Druck setzt, sondern auch Auswirkungen auf Investitionen, Projekte und das Vertrauen der Bürger hat.
Ein Defizit, das Wellen schlägt
Mit dem jetzt veröffentlichten Haushaltsentwurf für 2025 ist klar: Die Stadt Quedlinburg steht vor einer erheblichen finanziellen Herausforderung. Das Defizit von 4,5 Millionen Euro stellt die Verwaltung und den Stadtrat vor die dringende Aufgabe, kurzfristig Lösungen zu finden. Es ist das größte Finanzloch der letzten Jahre und bringt die strukturellen Schwächen der kommunalen Finanzlage im Harz ans Licht.
Besonders alarmierend: Bereits in den vergangenen Jahren musste die Stadt auf Rücklagen zurückgreifen, um Haushaltslücken zu schließen. Diese Reserven sind nun nahezu aufgebraucht, was den Handlungsrahmen weiter einschränkt.
Was sind die Ursachen für das Haushaltsloch in Quedlinburg?
Die Gründe für das Defizit sind vielschichtig. Hauptverantwortlich sind eine Kombination aus sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben. Die rückläufige Gewerbesteuer, gestiegene Personalkosten im öffentlichen Dienst, hohe Umlagen an den Landkreis sowie massive Kostensteigerungen im Bau- und Unterhaltsbereich führen dazu, dass die Ausgabenseite deutlich über der Einnahmeseite liegt.
Hinzu kommt der demografische Wandel: Die Bevölkerung schrumpft, die Altersstruktur verändert sich – mit unmittelbaren Auswirkungen auf Sozialausgaben, Bildungsinfrastruktur und Pflegekosten. Diese Faktoren belasten den Haushalt zunehmend und führen zu einer strukturellen Unterdeckung, die sich nicht kurzfristig beheben lässt.
Demografischer Wandel als Kostentreiber
Ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung zeigt: Bis 2030 wird Quedlinburg voraussichtlich rund 13 Prozent seiner Einwohner verlieren. Besonders die jüngeren Jahrgänge wandern ab oder fehlen ganz. Damit sinken nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch die wirtschaftliche Dynamik der Stadt. Gleichzeitig steigt der Anteil älterer Menschen, was die Ausgaben für Pflege, Mobilität und soziale Hilfen erhöht.
Fehlende Rücklagen und erschöpfte Spielräume
Die Stadt hat bereits in den Jahren 2023 und 2024 massiv Rücklagen aufgelöst, um laufende Ausgaben zu decken. Dieser Notgriff war kurzfristig erfolgreich, entzieht dem Haushalt aber nun endgültig seine Pufferfunktion. Für 2025 stehen daher keine nennenswerten Rücklagen mehr zur Verfügung.
Die Frage vieler Bürger lautet daher zurecht: Werden in Quedlinburg zur Defizitsteuerung Rücklagen aufgebraucht? Die Antwort lautet: Ja – aber diese Möglichkeit ist nun weitgehend erschöpft. Eine Wiederholung dieser Praxis scheint unmöglich, ohne langfristige Risiken für die Zahlungsfähigkeit der Stadt einzugehen.
Investitionsstau und Städtebauförderung
Trotz der angespannten Lage erhält Quedlinburg auch im Jahr 2025 Städtebaufördermittel von über einer Million Euro. Diese Gelder stammen aus Bundes- und Landesprogrammen und sind zweckgebunden – etwa für den Straßenausbau oder die Sanierung historischer Gebäude. Sie lindern punktuell den Investitionsstau, ersetzen aber keine strukturellen Haushaltsmittel.
Wie hoch ist der Investitionsrückstand?
Schätzungen zufolge liegt der Investitionsstau in Sachsen-Anhalt bei über 3,7 Milliarden Euro allein im Bereich der Gemeindestraßen. Quedlinburg ist hier keine Ausnahme. Viele Straßen, Brücken und öffentliche Gebäude befinden sich in schlechtem Zustand. Die Sanierungsrückstände summieren sich über Jahre – und führen zu langfristigen Folgekosten, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.
Vergleich mit Vorjahren: Eine bedenkliche Entwicklung
2023 lag das Haushaltsdefizit in Quedlinburg noch bei rund 2 Millionen Euro. Ein Jahr später ist diese Lücke mehr als doppelt so groß. Diese Entwicklung zeigt, dass es sich nicht um eine einmalige Fehlkalkulation handelt, sondern um einen Trend, der auf strukturelle Probleme verweist.
Wie groß war das Haushaltsdefizit der Stadt Quedlinburg in den Vorjahren? Die Zahlen belegen eine zunehmende Belastung: von rund 2 Millionen im Jahr 2023 auf 4,5 Millionen Euro im Jahr 2025. Eine solche Entwicklung ist nicht ohne tiefgreifende Konsequenzen.
Welche Maßnahmen sind geplant?
Die Stadtverwaltung arbeitet derzeit an verschiedenen Szenarien, um das Defizit zu verringern. Angedacht ist ein intensiveres Einwerben von Fördermitteln, die Prüfung von Einsparpotenzialen in allen Fachbereichen sowie eine mögliche Kreditaufnahme für investive Maßnahmen. Steuererhöhungen – etwa bei der Grund- oder Gewerbesteuer – sind bislang nicht vorgesehen.
Sind Steuererhöhungen geplant? Nach aktuellem Stand bleiben die Hebesätze für Grundsteuer B und Gewerbesteuer bei jeweils 440 Prozent. Steuererhöhungen gelten in der Verwaltung als ultima ratio und sind politisch umstritten.
Langfristige Lösungen gefragt
Die strukturelle Unterfinanzierung kleiner und mittlerer Städte ist ein landesweites Problem. Der kommunale Finanzausgleich (FAG) wird von Experten seit Jahren als unzureichend kritisiert. Er verteilt Mittel oft nach Einwohnerzahl, berücksichtigt aber kaum den tatsächlichen Finanzbedarf oder die Sozialstruktur einzelner Städte.
In politischen Diskussionen auf Landesebene wird daher über einen kommunalen Entschuldungsfonds oder eine Neujustierung des FAGs nachgedacht. Konkrete Beschlüsse stehen aber noch aus.
Stimmen aus der Bevölkerung: Sorge und Misstrauen
In Bürgerforen und lokalen Versammlungen wächst das Misstrauen gegenüber der Stadtpolitik. Bei einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses erschienen überdurchschnittlich viele Bürgerinnen und Bürger. Die Beteiligung zeigt: Die Finanzlage betrifft die Menschen direkt – sie wollen Antworten.
„Es kann nicht sein, dass wir jedes Jahr vor einem neuen Haushaltsloch stehen und niemand Verantwortung übernimmt“, sagte ein Bürger in einem Leserbrief im lokalen Forum. „Wir brauchen endlich Transparenz.“
Welche Maßnahmen plant Quedlinburg zur Sanierung des Haushalts? Die aktuelle Strategie setzt auf externe Fördermittel, mittelfristige Konsolidierung und politischen Druck auf das Land Sachsen-Anhalt, die strukturelle Lage kleiner Kommunen besser zu berücksichtigen.
Kommunalpolitische Schwächen und Transparenzdefizite
Ein weiteres Problem ist die teilweise lückenhafte Haushaltsführung. Der Landesrechnungshof bemängelt fehlende Jahresabschlüsse und die noch nicht flächendeckend eingeführte doppische Haushaltsführung (NKHR) in Sachsen-Anhalt. Diese Defizite erschweren es, die finanzielle Lage transparent darzustellen und zu vergleichen.
Auch die Verteilung der FAG-Mittel gilt als intransparent und politisch umstritten. Wohlhabendere Städte profitieren tendenziell stärker, während strukturschwache Kommunen – wie Quedlinburg – zunehmend unter Druck geraten.
Was bleibt – und was nun folgen muss
Quedlinburg steht exemplarisch für die finanzielle Schieflage vieler kleiner Städte in Ostdeutschland. Die Kombination aus schrumpfender Bevölkerung, wachsendem Sozialbedarf und strukturell schwacher Einnahmeseite zwingt Städte wie Quedlinburg zum Handeln – oft mit nur geringen Spielräumen.
Welche Rolle spielt der demografische Wandel bei der Finanzmisere? Er ist zentral. Sinkende Einwohnerzahlen und eine alternde Bevölkerung wirken sich unmittelbar auf den Haushalt aus – durch sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben.
Ein grundsätzlicher Kurswechsel ist notwendig: Bund und Länder müssen nicht nur punktuelle Fördermittel bereitstellen, sondern auch strukturelle Lösungen für die kommunale Finanzierung finden. Denkbar wären Sondervermögen für strukturschwache Kommunen, flexiblere Haushaltsvorgaben oder eine gezielte Entlastung bei Sozialausgaben.
Abschließender Ausblick
Das Haushaltsdefizit in Quedlinburg ist mehr als eine Zahl – es ist ein Symptom für eine tiefere strukturelle Krise im kommunalen Finanzwesen. Die Stadt steht nicht allein mit diesem Problem. Was in Quedlinburg geschieht, ist ein Spiegel für viele andere Orte in Deutschland. Nur wenn Politik, Verwaltung und Bevölkerung gemeinsam nach Wegen suchen, können langfristige Lösungen entstehen. Bis dahin aber bleibt die Lücke – und mit ihr die Sorge um die Zukunft der Stadt.