
Der VT 18.16 (nachgestellt) steht auf einem sonnenbeschienenen Gleis und zeigt sein markantes Design. (Symbolbild – exemplarisch)
Halberstadt – Der einstige Vorzeigetriebwagen der DDR, der SVT Görlitz (VT 18.16), sollte 2025 erstmals wieder mit Fahrgästen auf deutschen Gleisen rollen. Doch kurz vor dem geplanten Start der Probefahrten kommt die Ernüchterung: Alle Sonderfahrten sind für dieses Jahr abgesagt. Grund sind schwerwiegende technische Probleme, die sich erst während der Inbetriebnahme offenbarten.
Ein Prestigeprojekt auf Standby
Seit Jahren fiebern Eisenbahnfans in Deutschland auf die Rückkehr des SVT Görlitz hin – jenem Schnelltriebwagen, der einst als technisches Aushängeschild der DDR galt und in den 1960er-Jahren internationale Strecken zwischen Berlin, Prag, Wien und sogar Kopenhagen befuhr. Die Erwartungen waren groß, als die SVT Görlitz gGmbH für 2025 erste Probefahrten mit Publikum ankündigte. Nun folgt die Ernüchterung: Der legendäre Zug rollt vorerst doch nicht. Die Ursache sind gravierende technische Mängel, die erst während der Inbetriebnahme festgestellt wurden.
Warum rollt der restaurierte DDR-Schnellzug SVT Görlitz derzeit nicht?
Die Absage kam Anfang August 2025: Geschäftsführer Mario Lieb teilte mit, dass sich „nach dem langen Stillstand“ technische Überraschungen häuften, die eine sichere Fahrt unmöglich machen. Besonders betroffen sind die Elektrik und Bremsanlage. Zwei Ladespannungsregler sind defekt, außerdem zeigen sich erhebliche Mängel an der Bremssteuerung. Auch kleinere, aber sicherheitsrelevante Details wie die Verkabelung und die Anpassung an moderne Sicherungssysteme (etwa PZB I60) müssen überarbeitet werden.
Diese Probleme verhindern nicht nur eine Zulassung für Testfahrten durch das Eisenbahn-Bundesamt, sondern ziehen auch unvorhergesehene Reparaturkosten nach sich. Alle für 2025 geplanten Sonderfahrten wurden daraufhin vollständig gestrichen.
Ein technisches Kulturerbe mit Symbolkraft
Der SVT Görlitz – auch bekannt als VT 18.16 – ist einer von nur drei noch existierenden Schnelltriebwagen seiner Baureihe. Gebaut zwischen 1963 und 1968 in Görlitz, war er das DDR-Gegenstück zum westdeutschen TEE-Netz. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 160 km/h galt der Zug als technologische Meisterleistung seiner Zeit. Besonders populär waren Verbindungen wie der „Vindobona“ (Berlin–Wien) oder der „Karlex“ nach Karlsbad.
Nach der Wende wurde der Zug zunächst abgestellt, später von der eigens gegründeten SVT Görlitz gGmbH übernommen. Ziel: Eine vollständige Restaurierung und Rückführung in den musealen Fahrbetrieb – mit bis zu 50 Charterfahrten jährlich.
Wie wird das Restaurierungsprojekt finanziert?
Das Projekt kostet insgesamt rund fünf Millionen Euro. Die Finanzierung ruht auf mehreren Säulen:
- 3,4 Millionen Euro Fördermittel vom Bund
- 300.000 Euro Unterstützung durch den Freistaat Sachsen
- Rund eine Million Euro aus Spenden und Sponsoring
Besonders engagiert zeigte sich die Modellbahnbranche: Der Hersteller Trix überreichte der Initiative einen symbolischen Spendenscheck über 25.000 Euro. Zudem wurde ein Unterstützerclub namens „Club der 175“ gegründet, dessen Mitglieder durch finanzielle Beiträge die Instandsetzung des Zuges fördern.
Wer arbeitet an der Restaurierung mit?
Über 30 Firmen und Werkstätten aus ganz Deutschland sind an der aufwändigen Wiederherstellung beteiligt. Die Hauptarbeiten erfolgen bei der VIS Verkehr Industrie Systeme GmbH in Halberstadt. Weitere Komponenten werden unter anderem in Pirna, Radebeul Ost und Neustrelitz bearbeitet. Koordiniert wird das Vorhaben durch die SVT Görlitz gGmbH, die mit einem kleinen Team von Festangestellten sowie zahlreichen ehrenamtlichen Helfern arbeitet.
„Bei einem Zug, der so lange stand, muss man eben auf Überraschungen gefasst sein“, erklärt Geschäftsführer Mario Lieb.
Der Aufwand ist enorm: Neben der Überholung der Motoren, Drehgestelle und Wagenkästen müssen auch moderne Anforderungen erfüllt werden – etwa die Integration behindertengerechter Türen oder die Anpassung an moderne Sicherheitsnormen.
Wann soll der VT 18.16 wieder Sonderfahrten aufnehmen?
Aktuell geht das Team von einem Neustart nicht vor 2026 aus. Frühestens im Frühjahr oder Sommer kommenden Jahres könnte der Triebwagen wieder auf die Schiene gehen – vorausgesetzt, die technischen Restarbeiten und Prüfverfahren verlaufen erfolgreich. Die Verzögerung wird jedoch von vielen Unterstützern mit Verständnis aufgenommen. Auf Veranstaltungen wie dem Tag der offenen Tür im Juni 2025 bildeten sich lange Besucherschlangen – ein Zeichen für ungebrochenes Interesse.
Gibt es schon Modellbahn-Nachbildungen vom VT 18.16?
Ja. Die Modellbahnhersteller haben den Kultstatus des Zuges längst erkannt. Eine neue Auflage des Triebwagens durch den Hersteller Kato mit vollständiger Sound-Ausstattung wurde für August/September 2025 angekündigt. Auch bei Trix sind bereits Versionen erhältlich, die dem Original in Aufbau und Lackierung detailgetreu nachempfunden sind.
In Foren wie dem „H0-Modellbahnforum“ oder dem „Stummiforum“ wird der SVT Görlitz rege diskutiert – nicht nur als Modell, sondern auch als Symbol ostdeutscher Ingenieurskunst und Teil kollektiver Erinnerung.
Welche historischen Zugläufe bediente der VT 18.16?
Die bedeutendsten internationalen Verbindungen, die der SVT Görlitz bediente, lassen sich in folgender Übersicht zusammenfassen:
Zuglauf | Bezeichnung | Strecke |
---|---|---|
Vindobona | Berlin – Prag – Wien | Internationale Verbindung nach Österreich |
Karlex | Berlin – Karlsbad | Kulturelle Achse nach Tschechien |
Neptun | Berlin – Kopenhagen | Via Fähranbindung über Gedser–Warnemünde |
Diese Strecken machten den Zug zu einem international geschätzten Reisegefährt – auch als diplomatisches Verkehrsmittel wurde der VT 18.16 gelegentlich genutzt.
Was macht den VT 18.16 technisch einzigartig?
Der Triebwagen ist mit zwei Dieselmotoren à 1.000 PS ausgestattet, die über hydraulische Getriebe den Antrieb auf die Drehgestelle übertragen. Die Innenausstattung war für ihre Zeit revolutionär: Drehbare Großraumsitze, Bordküche, Waschräume mit Wasserversorgung, Klimaanlagen in den Führerständen und durchgehender Laufgang über alle Wagen hinweg. Die damalige DDR stellte den Zug auf internationalen Ausstellungen als technischen Botschafter vor.
Heute besteht die Herausforderung darin, diese Technik zu erhalten, ohne dabei gegen aktuelle Betriebsvorschriften zu verstoßen. So wird unter anderem ein Zugsicherungssystem nachgerüstet, das im Original nicht vorhanden war.
Ein Projekt zwischen Nostalgie und Zukunft
Während die Reparaturarbeiten weiterlaufen, bleibt das öffentliche Interesse am SVT Görlitz ungebrochen. Auch wenn die Fahrten 2025 nicht stattfinden, zeigen Besucherzahlen, Spendenbereitschaft und Diskussionen in sozialen Medien, dass das Projekt ein emotionales wie kulturelles Erbe berührt. Zahlreiche Eisenbahnfreunde hoffen nun auf 2026 – das Jahr, in dem der letzte DDR-Schnellzug hoffentlich wieder das macht, wofür er einst gebaut wurde: fahren.
Der lange Weg zur Wiederinbetriebnahme des SVT Görlitz ist ein Beispiel für die Herausforderungen technischer Denkmalpflege. Hier treffen Nostalgie, Technikgeschichte, moderne Sicherheitsanforderungen und öffentliche Erwartung aufeinander. Es ist ein Projekt, das Geduld erfordert – aber mit einem klaren Ziel: Die Rückkehr einer Legende auf die Schiene.