
Wernigerode – Versteckt im Harzer Wald bei Wernigerode liegt die jahrhundertealte Ruine des Klosters Himmelpforte. Dank intensiver Grabungen und spektakulärer Funde erlebt der Ort derzeit eine neue Blüte – nicht als geistliches Zentrum, sondern als potenzielles Freilichtmuseum. Ein Projekt mit Geschichte, Emotion und regionalem Kulturerbe.
Eine vergessene Stätte kehrt ins Bewusstsein zurück
Kaum jemand vermutete noch große archäologische Überraschungen in den sanften Hügeln bei Wernigerode. Doch seit Sommer 2023 hat sich das geändert. Die Klosterruine Himmelpforte, gegründet im Jahr 1253 durch Ritter Dietrich von Hartesrothe, stand über Jahrhunderte hinweg für religiöses Leben, Wallfahrten und den Wandel der Zeiten – bis sie nach den Bauernkriegen allmählich verfiel. Heute sind von dem ehemaligen Augustinerkloster nur noch Grundmauern, Teichanlagen und historische Ziegelreste sichtbar. Doch was sich darunter verbirgt, hat nicht nur Fachleute begeistert.
Nach mehreren Grabungskampagnen – unterstützt von Freiwilligen im Alter zwischen 12 und 77 Jahren – ist klar: Himmelpforte ist nicht nur ein Ort der Vergangenheit, sondern einer mit großer Zukunftsperspektive. Die Frage steht nun im Raum: Wird das Kloster Himmelpforte im Harz zum Freilichtmuseum? Eine berechtigte Hoffnung, wie die Entwicklungen der letzten Monate zeigen.
Grabungen mit Seltenheitswert
Sensationsfunde aus mehreren Jahrhunderten
Die Ausgrabungen förderten eine Vielzahl bemerkenswerter Objekte zutage. Neben mittelalterlichen Mauerresten wurden Münzen aus Gold und Silber, Tuchplomben, Ofenkacheln, Keramik, Pilgerzeichen, Glasfragmente und sogar ein Ohrlöffel aus Bein gefunden – ein überraschend gut erhaltenes Hygiene-Utensil aus jener Zeit. Besonders eindrucksvoll ist der sogenannte “Wernigeröder Schatz”: vier Goldmünzen aus dem 15. Jahrhundert, entdeckt in unmittelbarer Nähe eines Grabes.
„Die Schichten, die wir freigelegt haben, erzählen Geschichten von Reichtum, Gewalt und tiefer Religiosität“, sagt ein Mitglied des Grabungsteams. Zwischen Trümmerschichten, verkohlten Holzbalken und zerbrochenen Dachziegeln offenbaren sich Szenen des Umbruchs – vermutlich Spuren der Plünderungen während der Bauernkriege um 1525. Damals wurde das Kloster verwüstet, viele Mönche flohen, einige Funde deuten auf gewaltsame Auseinandersetzungen hin.
Das klösterliche Leben rekonstruieren
Ausgrabungen zeigten zudem Anzeichen für Fischzuchtanlagen, Weinbauversuche sowie eine Warmluftheizung – ein technologisches Highlight der damaligen Zeit. Mit Hilfe von Fundstücken wie Schreibgriffeln, Buchbeschlägen oder bronzenen Gürtelschnallen lässt sich auch der klösterliche Alltag gut nachvollziehen.
Die Entdeckungen reichen sogar bis in die Bronzezeit zurück: Siedlungsreste belegen, dass das Gebiet um Himmelpforte seit Jahrtausenden von Menschen genutzt wurde. Die archäologische Tiefe des Ortes eröffnet damit nicht nur Einblicke in das Mittelalter, sondern auch in die Frühgeschichte der Region.
Ein Bürgerprojekt mit Strahlkraft
Citizen Science mit Wirkung
Was das Projekt rund um Himmelpforte besonders macht, ist die enge Einbindung der Öffentlichkeit. Seit Beginn der Grabungen wurden interessierte Bürger aktiv einbezogen – als sogenannte “Citizen Scientists”. Neben Schülern und Studierenden halfen auch Rentner, Geschichtsfreunde und ganze Familien mit. Dieses Engagement trug nicht nur zur Beschleunigung der Grabungen bei, sondern verstärkte auch das öffentliche Interesse.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit Pinsel und Kelle selbst Teil einer echten Ausgrabung bin“, sagt ein Teilnehmer aus Wernigerode. Die Initiative beweist, wie lebendig Archäologie sein kann, wenn sie transparent und gemeinschaftlich betrieben wird.
Führungen und Vermittlungsangebote
Während der Grabungssaison boten die Verantwortlichen täglich um 14 Uhr kostenlose Führungen an – ohne Voranmeldung. Besucher erhielten direkte Einblicke in die laufenden Arbeiten und konnten Fragen stellen. Die hohe Resonanz zeigt: Das Interesse an lokaler Geschichte ist ungebrochen.
Von der Ruine zum Museum? Chancen und Herausforderungen
Freilichtmuseum als Zukunftsvision
Ein möglicher nächster Schritt könnte die museale Nutzung des Geländes sein. Die Überlegung liegt nahe: Ein Freilichtmuseum, das die Geschichte des Klosters, seiner Bewohner und seiner Zerstörung interaktiv aufarbeitet, wäre eine touristische wie bildungspolitische Bereicherung für die Region. Die zentrale Frage vieler lautet daher: Was kann man bei Führungen am Kloster Himmelpforte erleben?
Schon jetzt gibt es Ideen, das Gelände in einen Stationenpfad zu verwandeln, mit Informationstafeln, digitalen Führungen via App und wechselnden Themenführungen. Dabei sollen auch Kinder und Familien angesprochen werden. Beispiele aus anderen Regionen – etwa das Kloster Walkenried im Südharz – zeigen, wie erfolgreich solche Konzepte sein können. Dort ist ein modernes Zisterziensermuseum entstanden, das Geschichte mit digitaler Technik und Kulturveranstaltungen verbindet.
Einbindung in touristische Netzwerke
Ein großer Vorteil: Die Klosterstätte Himmelpforte liegt direkt am „Harzer Klosterwanderweg“. Dieser beliebte Kulturpfad führt in mehreren Etappen durch Klosteranlagen, historische Orte und Museen. Eine Einbindung Himmelpfortes in dieses Netz ist nicht nur denkbar, sondern fast naheliegend.
Der Weg ist mit Stempelstationen, gastronomischen Anlaufpunkten und spirituellen Angeboten bereits gut ausgebaut – Himmelpforte könnte zum neuen Highlight auf der Route werden.
Fragen aus der Bevölkerung
Welche Funde wurden am Kloster Himmelpforte gemacht?
Die archäologischen Funde umfassen Mauerstrukturen, Gräber aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, Gold- und Silbermünzen, Alltagsgegenstände wie Werkzeuge und Geschirr sowie Spuren von Zerstörung und Feuer. Besonders eindrucksvoll: Verzierte Grabplatten, Ofenkacheln und das erwähnte Hygiene-Set mit Ohrlöffel.
Wann war das Kloster Himmelpforte aktiv und welche Bedeutung hat es?
Gegründet 1253, erlebte das Kloster eine wechselvolle Geschichte – von der Blütezeit als religiöses Zentrum über die Begegnung Martin Luthers mit Johann von Staupitz im Jahr 1516 bis zur Zerstörung im Bauernkrieg. Noch im 18. Jahrhundert wurde das Gelände als landwirtschaftlicher Betrieb genutzt, bevor es endgültig verfiel.
Gibt es Veranstaltungen am Kloster Himmelpforte außerhalb der Grabungen?
Ja. Neben den Grabungen und Führungen vor Ort gibt es mehrere Ausstellungen: Im Harzmuseum Wernigerode läuft aktuell die Schau „Zwischen Himmel und Revolte“, in Halle (Saale) thematisiert eine Kabinettausstellung die Bauernkriegszeit mit Originalfunden aus Himmelpforte. Begleitet werden diese von Vorträgen, Filmvorführungen und Führungen.
Ein Ort mit Zukunft – auch für junge Besucher
Überlegungen gehen inzwischen weiter: Warum nicht ein Programm für Schulen, Feriengruppen oder Familien entwickeln? In anderen Regionen sind Klosterrallyes, Workshops zu Kräuterkunde oder kreative Bastelaktionen längst etabliert. Der historische Ort böte zahlreiche Anknüpfungspunkte für Bildungsformate. Gerade weil Geschichte hier greifbar wird, kann Himmelpforte zum Lern- und Erlebnisort für alle Generationen werden.
Ein neues Kapitel für ein altes Kloster
Die Idee, die Ruine des Klosters Himmelpforte dauerhaft zugänglich und erlebbar zu machen, gewinnt täglich an Substanz. Die breite Unterstützung der Bevölkerung, das öffentliche Interesse, das Engagement von Wissenschaft und Stadtverwaltung – sie alle zeigen, dass hier mehr entsteht als ein archäologisches Projekt. Es geht um Identität, Geschichte und ein neues Kapitel für einen alten Ort.
Ob Himmelpforte dauerhaft als Freilichtmuseum geführt werden kann, hängt nun von politischem Willen, Finanzierung und weiteren Planungen ab. Doch die Voraussetzungen könnten besser kaum sein: ein geschichtsträchtiger Ort, bedeutende Funde, touristische Anbindung, Bürgerengagement – und eine Region, die sich ihrer Wurzeln wieder bewusst wird. Die Klosterruine hat das Potenzial, ein Leuchtturmprojekt für den Harz und darüber hinaus zu werden.