Wernigerode

Tunnelprojekt B 244 bei Wernigerode: Tiefenbohrungen starten – was jetzt auf die Stadt zukommt

Die Bohrgeräte sind angerollt – und mit ihnen beginnt ein neues Kapitel in der Verkehrsentwicklung der Harzstadt. Die geplante Tunneltrasse der Bundesstraße 244 nimmt mit Tiefenbohrungen Fahrt auf und soll künftig eine jahrzehntelange Belastung der Innenstadt durch den Durchgangsverkehr beenden. Das Großprojekt ist nicht nur logistisch, sondern auch geologisch herausfordernd – und stößt bei Bürgern, Politik und Fachleuten gleichermaßen auf großes Interesse.

Ein Verkehrsprojekt mit Symbolkraft

Schon lange steht Wernigerode unter Druck: Täglich rollen über 12.600 Fahrzeuge, darunter viele Lastwagen, durch die historische Innenstadt. Die Bundesstraße B 244 gilt als überregional wichtige Verkehrsachse, doch für eine Stadt mit mittelalterlichem Kern bedeutet sie vor allem Lärm, Abgase und Dauerbelastung. Mit der geplanten Ortsumfahrung soll sich das nun ändern – im Zentrum steht eine über zwei Kilometer lange Tunneltrasse, die den Verkehr künftig unter der Stadt hindurchführen soll.

Ein Jahrhundertprojekt für die Region

Das Vorhaben, das im Bundesverkehrswegeplan unter dem Namen B244‑G10‑ST geführt wird, ist ambitioniert: Eine etwa vier Kilometer lange Umfahrung, davon rund 2,3 Kilometer im Tunnel, soll die Innenstadt spürbar entlasten. Mit veranschlagten Kosten von rund 160 Millionen Euro gehört das Projekt zu den größten Infrastrukturmaßnahmen im Harzkreis. Der Bundesverkehrswegeplan stuft es als „vordringlichen Bedarf“ ein – das heißt: Es gibt kaum ein Verkehrsprojekt mit höherer Priorität in der Region.

Die Tiefenbohrungen – Startschuss für die geologische Analyse

Seit Anfang des Jahres laufen die geotechnischen Erkundungen – sie bilden die Grundlage für alle weiteren Planungen. Die Bohrungen, die derzeit im Raum zwischen Benzingerode und Wernigerode durchgeführt werden, reichen bis zu 255 Meter in die Tiefe. Ziel ist es, die geologischen Bedingungen entlang der geplanten Trasse genau zu analysieren – insbesondere dort, wo der Tunnel durch die sogenannte Harznordrandstörung verläuft, eine komplexe geologische Störzone.

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Warum wird so tief gebohrt?

Viele Bürger fragen sich: Wie tief werden die Bohrungen für die B 244 Tunneltrasse bei Wernigerode durchgeführt? Die Antwort: Tiefer als bei vergleichbaren Projekten. Das hat einen einfachen Grund. Die Region rund um Wernigerode weist eine außergewöhnlich komplizierte geologische Schichtung auf – von altem Grundgebirge bis zu ehemaligen Meeresablagerungen. Um spätere Bauprobleme zu vermeiden, müssen die Gesteinsschichten genau kartiert werden. Dabei kommen auch schräge Bohrtechniken zum Einsatz, um Störzonen gezielt zu durchdringen.

Erste Ergebnisse und geologische Risiken

Die bisher durchgeführten Bohrungen bestätigen: Die geplante Tunnelstrecke liegt in einem anspruchsvollen Untergrund. Die Harznordrandstörung, die von Südwest nach Nordost verläuft, bringt unterschiedlich harte Gesteinsschichten dicht aneinander. Das macht die spätere Tunnelbohrung zu einer technischen Herausforderung – aber auch zu einer Chance, modernste Ingenieurkunst unter Beweis zu stellen.

Was bringt der Tunnel für Wernigerode?

Der Nutzen der Maßnahme lässt sich nicht nur an Zahlen, sondern vor allem am Alltag der Menschen ablesen. Der aktuelle Zustand – dichter Verkehr, enge Gassen, Lärm und Feinstaub – belastet Anwohner wie Besucher. Die neue Trasse soll den Durchgangsverkehr direkt mit der B6n verbinden und so für Entlastung sorgen.

Wie viele Fahrzeuge nutzen die B 244 täglich?

Laut Planungsunterlagen bewegen sich täglich etwa 12.680 Fahrzeuge über die Bundesstraße in der Innenstadt. Besonders problematisch: Der Anteil an Schwerlastverkehr liegt deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Städte. Kein Wunder, dass viele Bürger das Projekt ausdrücklich befürworten.

„Die Innenstadt muss atmen können“

In sozialen Netzwerken wie Facebook häufen sich die Kommentare: „Endlich tut sich was“, schreibt eine Nutzerin. Ein anderer kommentiert: „Die jetzige Situation ist unerträglich – Lkw rund um die Uhr, sogar nachts.“ Viele Stimmen fordern, dass die Bauarbeiten zügig umgesetzt werden. Gleichzeitig gibt es vereinzelt Bedenken, ob durch den Tunnelbau nicht neue Belastungen an anderer Stelle entstehen.

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Technische Details und Herausforderungen

Die geplante Tunneltrasse wird voraussichtlich in geschlossener Bauweise erstellt – das bedeutet, dass keine offene Grabenbauweise erforderlich ist. Dennoch müssen Zufahrtsbereiche, Notausgänge, Wartungsstollen und Entlüftungsschächte berücksichtigt werden. Die technischen Anforderungen sind hoch, insbesondere durch die geologischen Verwerfungen und den Schutz unterirdischer Wasserschichten.

Wie lang ist die Tunnelstrecke im geplanten Projekt?

Die eigentliche Tunnelstrecke soll rund 2,3 Kilometer betragen – eingebettet in eine Ortsumfahrung von etwa 4 Kilometern Länge. Der genaue Trassenverlauf wird aktuell noch durch die Ergebnisse der Bohrungen beeinflusst.

Tabelle: Kerndaten des Tunnelprojekts

Aspekt Details
Projektname B244-G10-ST
Gesamtlänge 4 km
Tunnelstrecke 2,3 km
Tägliches Verkehrsaufkommen 12.680 Fahrzeuge
Investitionsvolumen ca. 160 Mio. €
Nutzen-Kosten-Verhältnis 3,9
Planungsbeginn 2017

Umweltaspekte: Chancen und Risiken

Ein sensibles Thema bleibt die Umweltverträglichkeit. Der geplante Tunnel verläuft unter einem FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) sowie unter einem ausgewiesenen Vogelschutzgebiet. Die Gutachten sprechen zwar nicht von erheblichen Beeinträchtigungen, schließen Risiken aber auch nicht kategorisch aus. Besonders kritisch wird die Wechselwirkung mit Grundwasserschichten und Mikrohabitaten gesehen.

Wird bei der Ortsumfahrung ein FFH-Gebiet untertunnelt?

Ja. Die Tunneltrasse durchquert ein ökologisch sensibles Areal. Das Projektteam betont, dass durch die unterirdische Bauweise Eingriffe minimiert werden sollen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wird nach Abschluss der geotechnischen Untersuchungen erneut bewertet.

Stadtentwicklung mit Weitblick

Das Projekt ist Teil des integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) und wurde auch im Entwicklungskonzept Oberzentrum Harz (EKOH) als vordringlich eingestuft. Die Stadt verfolgt eine Strategie der Verkehrsberuhigung, besseren Anbindung und Steigerung der Lebensqualität. In diesem Kontext passt der Tunnel perfekt ins Bild – als Infrastrukturmaßnahme, die nicht nur Verkehr entflechtet, sondern auch urbanes Leben neu ermöglicht.

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Seit wann wird die Tunnelvariante geplant?

Die konkreten Planungen zur Tunneltrasse laufen seit etwa 2017. Bereits in der ersten Planungsphase wurden verschiedene Trassenvarianten geprüft, wobei die Tunneloption als städtebaulich und ökologisch beste Lösung bewertet wurde.

Abschließender Ausblick

Mit den derzeit laufenden Tiefenbohrungen beginnt die heiße Phase des Projekts, das Wernigerode in den kommenden Jahren entscheidend prägen wird. Die Erwartungen sind hoch – sowohl hinsichtlich der verkehrlichen Entlastung als auch in Bezug auf Umweltverträglichkeit und Bauqualität. Noch ist der Spatenstich nicht gesetzt, aber die Signale stehen auf Umsetzung. Die Stadtverwaltung, das Land Sachsen-Anhalt und der Bund ziehen an einem Strang. Ob das Großprojekt pünktlich und im Kostenrahmen umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Der Tunnel unter Wernigerode ist mehr als nur eine Straße – er ist ein Versprechen auf mehr Lebensqualität für eine Stadt, die den Verkehr neu denken will.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.