
Wernigerode – Die traditionsreiche Harzer Schmalspurbahn kämpft mit Engpässen: Wegen akutem Personalmangel in den Stellwerken müssen zahlreiche Verbindungen entfallen. Betroffen sind vor allem Nachmittags- und Abendzüge auf der Brocken- und Harzquerbahn. Fahrgäste reagieren mit gemischten Gefühlen – während die Bahn mit Übergangslösungen versucht, den Verkehr am Laufen zu halten.
Der Brocken bleibt erreichbar – aber nicht wie gewohnt
Im Zeitraum vom 13. bis 22. August 2025 müssen Fahrgäste der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) mit Einschränkungen im Fahrplan rechnen. Grund ist ein kurzfristiger Personalmangel in den Stellwerken, insbesondere in der zugleitenden Stelle, die am späten Nachmittag nicht mehr zuverlässig besetzt werden kann. Das hat direkte Auswirkungen auf die betriebliche Sicherheit – ein zentraler Faktor im Schienenverkehr.
Auch wenn die Züge am Vormittag und zur Mittagszeit größtenteils planmäßig verkehren, fallen vor allem spätere Verbindungen aus. Die gute Nachricht: Der Brocken ist weiterhin sechsmal täglich erreichbar. Die erste Bergfahrt startet um 9:00 Uhr ab Wernigerode, die letzte gegen 14:00 Uhr. Wer später noch zum Gipfel möchte, muss auf einen der letzten Plätze hoffen – oder einen anderen Tag einplanen.
Welche Strecken sind besonders betroffen?
Die Auswirkungen des Personalengpasses zeigen sich auf mehreren Linien:
- Brockenbahn: Zwei Dampfzugverbindungen am Nachmittag und Abend entfallen.
- Harzquerbahn: Frühverbindung Wernigerode–Schierke entfällt, ebenso die Abendverbindung Wernigerode–Eisfelder Talmühle.
- Selketalbahn: In Einzelfällen Anpassungen, meist durch Schienenersatzverkehr kompensiert.
Um Ausfälle abzufangen, hat die HSB kurzfristig einen Schienenersatzverkehr (SEV) mit Bussen eingerichtet. Dieser bedient betroffene Streckenabschnitte, bietet jedoch nicht das gleiche Erlebnis wie die Fahrt mit der dampfbetriebenen Schmalspurbahn.
Warum fallen Züge bei den Harzer Schmalspurbahnen aus?
Die Ursache liegt im Fachkräftemangel – einem Phänomen, das nicht nur die HSB betrifft. Besonders kritisch zeigt sich die Situation in den Stellwerken: Ohne ausreichendes Personal können die Züge nicht sicher gesteuert werden. Ein HSB-Sprecher erklärte dazu: „Wir würden jeden mit Kusshand nehmen … aber es gibt einfach keine auf dem Markt.“
Diese Aussage bringt das Problem auf den Punkt. Die Ausbildung zum Dampflokführer, Heizer oder Stellwerksmitarbeiter ist langwierig und anspruchsvoll. Oft dauert es fünf bis sechs Jahre, bis jemand voll ausgebildet ist. Gleichzeitig ist die Tätigkeit körperlich fordernd – ein Umstand, der junge Menschen nicht gerade anzieht.
Ein strukturelles Problem mit Tradition
Die HSB ist mehr als nur ein Verkehrsmittel. Sie ist ein lebendiges Denkmal, ein touristischer Magnet und ein Kulturgut der Region Harz. Mit über 140 Kilometern Streckennetz und jährlich rund einer Million Fahrgästen ist sie das Rückgrat des regionalen Tourismus. Entsprechend groß ist die Bedeutung eines zuverlässigen Fahrplans – nicht nur für Pendler, sondern auch für Besucher aus aller Welt.
In Foren und sozialen Medien äußern sich jedoch zunehmend kritische Stimmen. Ein Nutzer schrieb etwa: „Zugausfälle wegen Personalmangel werden nicht das Verständnis der Touristen generieren, die extra im Harz Urlaub machen.“ Solche Kommentare verdeutlichen: Für viele gehört eine Fahrt mit der HSB fest zum Urlaubserlebnis dazu. Fällt sie aus, sinkt die Zufriedenheit – und möglicherweise auch die Bereitschaft zur Wiederkehr.
Hat es in der Vergangenheit ähnliche Fahrplanprobleme gegeben?
Ja – und zwar nicht nur einmal. Schon im Juli 2025 musste die HSB aufgrund von Personalengpässen Fahrten streichen. Auch im Sommer 2023 fielen regelmäßig zwei Zugpaare am Brocken aus. Die Bahn war damals bemüht, den Gipfel trotzdem neunmal täglich erreichbar zu halten – was auch gelang. Die jetzige Situation erinnert stark daran, ist jedoch durch die kürzere Reaktionszeit noch akuter.
Langfristige Gegenmaßnahmen: Ausbildung und Technik
Die HSB weiß um die Problematik und steuert gegen. Seit dem Ausbildungsjahr 2025 werden wieder gezielt junge Menschen in verschiedenen Berufsfeldern ausgebildet: vom Industriemechaniker über den Gleisbauer bis hin zur dualen BWL-Studentin. Die neue Dampflokwerkstatt in Wernigerode, die 2022 eröffnet wurde, ist nicht nur ein technisches Zentrum, sondern auch ein Symbol für den Zukunftswillen der Bahn.
Zudem wird auch die Stellwerkstechnik modernisiert. In Wernigerode wurden in den vergangenen Monaten neue Sicherungsanlagen an Bahnübergängen installiert und bestehende Strukturen verbessert. Laut Bahn wurden diese Arbeiten bewusst in Zeiten mit geringerer Auslastung verlegt – auch wenn sie punktuell mit Fahrplanausfällen verbunden waren.
Wird langfristig in neue Mitarbeitende oder Technik investiert?
Ja. Die HSB investiert nicht nur in moderne Infrastruktur, sondern auch in Ausbildung und Personalbindung. Ziel ist es, künftig schneller auf Personalengpässe reagieren zu können. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen: Die Ausbildung dauert lang, und die Arbeitsbedingungen sind nicht für jeden attraktiv.
Fahrgastentwicklung trotz Engpässen positiv
Interessanterweise scheinen die Einschränkungen die Gesamtbeliebtheit der Bahn kaum zu schmälern. Im Jahr 2023 verzeichnete die HSB steigende Fahrgastzahlen auf allen drei Linien:
Strecke | Fahrgastzuwachs | Gesamtzahl 2023 |
---|---|---|
Brockenbahn | +7 % | 503.000 |
Harzquerbahn | +7 % | 362.000 |
Selketalbahn | +17 % | 89.000 |
Das zeigt: Die HSB bleibt attraktiv – auch in schwierigen Zeiten. Der Wunsch nach Nostalgie, langsamer Fortbewegung und landschaftlich reizvoller Strecke scheint stärker zu sein als die kurzfristige Unzufriedenheit über einzelne Ausfälle.
Wie oft kann man den Brocken trotz Fahrplanänderungen täglich erreichen?
Trotz der Einschränkungen bleibt der Brocken weiterhin sechsmal täglich erreichbar. Für viele Reisende bedeutet das: Eine sorgfältige Tagesplanung ist nötig. Besonders in der Hauptsaison sind die Plätze in den Zügen begehrt – rechtzeitige Anreise und Reservierung können sich lohnen.
Die HSB als kulturelles Rückgrat des Harzes
Eine Hotelbesitzerin aus Wernigerode brachte es einst auf den Punkt: „Die Harzbahnen sind das Rückgrat des Tourismus. Die Berge und Wälder sind zwar schön, aber die Harzbahnen verbinden alles so schön.“ Genau dieses Zusammenspiel aus Natur, Technik und Geschichte macht den Reiz der HSB aus – und erklärt, warum jeder Zugausfall nicht nur ein logistisches, sondern auch ein emotionales Ereignis für viele Gäste ist.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Situation bleibt zunächst angespannt. Auch wenn der Zeitraum der Fahrplanänderungen begrenzt ist, lässt sich nicht ausschließen, dass ähnliche Engpässe in Zukunft erneut auftreten. Umso wichtiger sind langfristige Investitionen in Ausbildung, moderne Technik und attraktive Arbeitsbedingungen. Die HSB geht diesen Weg – Schritt für Schritt.
Und auch die Fahrgäste zeigen Verständnis, zumindest größtenteils. In sozialen Medien äußern viele ihre Wertschätzung für die Mitarbeitenden, die trotz dünner Personaldecke einen zuverlässigen Betrieb ermöglichen. Ein Instagram-Kommentar bringt es auf den Punkt: „Trotz aller Hürden geben die HSB-Mitarbeitenden nicht auf und kämpfen weiter …“
Ein Stück Harz mit Dampf und Seele
Die Harzer Schmalspurbahnen sind weit mehr als ein Transportmittel. Sie sind ein Erlebnis, ein Kulturerbe und ein Teil der Identität des Harzes. Ihre Dampfwolken gehören ebenso zum Landschaftsbild wie die Gipfel des Brocken. Deshalb trifft ein Personalmangel hier nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das Herz einer ganzen Region.
Umso wichtiger ist es, das Gleichgewicht zu halten: zwischen wirtschaftlichen Realitäten und kulturellem Anspruch, zwischen Betriebsnotwendigkeit und touristischem Erlebnis. Wenn das gelingt – mit Investitionen, Geduld und Engagement – dann bleiben die HSB auch in Zukunft das, was sie heute sind: ein dampfendes Symbol für Entschleunigung und Begeisterung.